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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
Autoren: Martha Grimes
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die beiden, die mit Peter Gere zusammen waren?»
    Sir Miles studierte die angeknabberten Enden seines Toasts. «Polizei», sagte er nur.
    Das war typisch Miles. Ständig redete er einem die Ohren voll, wenn man aber etwas von ihm wissen wollte, dann bekam man rein gar nichts aus ihm heraus.
    «Von wo?»
    Darauf gab er keine Antwort, sondern meinte statt dessen: «Ist auch höchste Zeit, daß sie jemanden schicken, der diese Sache in Ordnung bringt. Wenn wir uns darauf verlassen müßten, daß Peter Gere uns beschützt, lägen wir schon längst tot in unsern Betten. Ich war drauf und dran, ihm das zu sagen.»
    Gott sei Dank bimmelte die Glocke über der Tür, und sie brauchte ihm nicht die Muffins in den Hals zu stopfen.
     
    Der Neuankömmling war Emily Louise Perk, eine Zehnjährige, bei der nichts darauf hinwies, daß sie in den letzten zwei Jahren gewachsen war. Ihr zartgliedriger Körper und das dreieckige Gesicht, die bekümmerten, braunen Augen, die strähnigen blonden Haare, die bei ihrem spitzen Kinn endeten, das schäbige Reitjäckchen und die Jeans – all das vermittelte den Eindruck eines bedauernswerten kleinen Geschöpfs.
    Emily Louise Perk war aber alles andere als bedauernswert.
    Ihr verwahrlostes Äußeres war keineswegs auf pflichtvergessene Eltern oder ärmliche Verhältnisse zurückzuführen. Wenn ihre Haare ungekämmt aussahen und sie immer dasselbe trug, so lag das nur daran, daß Emily Louise lange vor ihrer Mutter, ja lange vor allen übrigen Dorfbewohnern und selbst dem lieben Gott auf den Beinen war und ihren Interessen nachging; ihr Pony Shandy stand dabei an erster Stelle. Shandy war seltsamerweise im Stall von Rookswood, dem Gut der Bodenheims, untergebracht. Dafür, daß sie sich um die Pferde der Bodenheims kümmerte, durfte sie ihr eigenes Pony dort unterstellen. Da keiner zwischen Hertfield und Horndean sich besser mit Pferden auskannte als Emily Louise, redete ihr auch niemand drein. Daß selbst Sylvia Bodenheim sie in Ruhe ließ, war eine Meisterleistung für sich, ein Beweis für Emilys bemerkenswerte Fähigkeit, von den Erwachsenen zu kriegen, was sie wollte, oder sie mit totaler Nichtachtung zu strafen. Sie durfte sich frei in den Ställen bewegen und auch zum Tee in die Küche kommen, wo ihr die Köchin der Bodenheims, die Emily Louise ins Herz geschlossen hatte, alle möglichen Leckerbissen zuschob. Im Gegensatz zu den anderen Kindern aus dem Dorf, die von den Bodenheims eher wie streunende Hunde behandelt wurden, hatte sie sozusagen eine Existenzberechtigung.
    Und sie machte ausgiebig Gebrauch davon; sie war immer auf dem laufenden, nichts entging ihr. Trotzdem war sie kein Klatschmaul; sie wußte einfach nur Bescheid. Ihre ein Meter zwanzig hohe Gestalt war wie eine Antenne, die Nachrichten empfing.
    Hocherfreut rief Polly ihren Namen und zog ihr einen Stuhl heran. Wenn jemand etwas wußte, dann Emily.
    Als Emily sich setzte, sagte Miles: «Solltest du nicht bei uns oben sein und dich um Julias Pferd kümmern?» Seine stahlgrauen Brauen zogen sich zusammen.
    Doch niemand brachte so tiefe Furchen zustande wie Emily Louise. Man hatte bei ihr immer den Eindruck, als sei sie ganz woanders mit ihren Gedanken. «Heute ist Samstag. Samstags striegle ich nie die Pferde.» Sie inspizierte den Teller mit den Muffins und seufzte: «Schon wieder Karotten. Ich hätte Lust auf ein warmes Eierbrötchen.» Sie legte die Hände an den Hinterkopf und musterte Polly.
    Polly rief Miss Pettigrew, die, als sie Emily sah, sofort einen Teller mit Eierbrötchen und frischen Tee brachte. Auch Miss Pettigrew war Miss Perks Charme erlegen. Sie saßen des öfteren bei Tee und Kuchen zusammen und unterhielten sich.
    «Danke», sagte Emily, die wußte, was sich gehörte. «Polente im Dorf, ich meine, ein Neuer.»
    «Weiß ich», zischte Sir Miles. «Ich bin dem Burschen schon begegnet.» Er klopfte sich den Staub von den Knien seiner Hose und schlürfte seinen Tee.
    «Von Scotland Yard.»
    Scotland Yard. Polly schnappte nach Luft. Sie räusperte sich. «Und was macht er hier? Ich meine, bleibt er länger?»
    Da er anscheinend keine weiteren Auskünfte geben konnte, überging Sir Miles ihre Frage mit einer Bemerkung über die Unfähigkeit der Polizei im allgemeinen. «Sie machen ein großes Trara, aber keiner scheint seine Pflichten zu kennen.»
    Emily verschlang ihr Brötchen. «Er findet die Leiche bestimmt. Er übernachtet im Bold Blue Boy. Da haben sie auch ihre Sachen gelassen. Er ist
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