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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
Autoren: Martha Grimes
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Superintendent.»
    «Hast du denn, äh, zufällig auch seinen Namen erfahren?» fragte Polly.
    Damit konnte Emily jedoch nicht dienen. Statt dessen leerte sie ihre Teetasse und schob sie zu Polly hinüber. «Sagen Sie mir bitte die Zukunft voraus.»
    Polly wechselte nur ungern das Thema, aber vielleicht konnte sie darauf zurückkommen, wenn sie in den Teeblättern las.
    Sir Miles stieß einen tiefen Seufzer aus, als hätte man ihn auf seinem Stuhl festgebunden und gezwungen, sich diesen Unsinn anzuhören.
    Polly hielt die Tasse etwas schräg und betrachtete das nichtssagende Muster, das die kleinen schwarzen Teeblätter bildeten. Außer einem Umriß, der sie an einen zerfledderten Vogel erinnerte, sah sie nichts. «Ich sehe einen Mann. Einen Fremden.»
    «Wie sieht er denn aus?» Emilys Kinn ruhte auf ihren geballten Fäusten, ihre Stirnfalte verstärkte sich.
    «Groß, gutaussehend, ungefähr vierzig –»
    «Was, so alt?»
    «… kastanienbraunes Haar und, äh, braune Augen.»
    «Grau.»
    «Grau?»
    «Quatsch», steuerte Miles bei.
    «Weiter!» sagte Emily.
    Polly blickte auf den Vogel ohne Schwingen und meinte: «Irgendeine Gefahr, ein ungelöstes Rätsel.» Polly zuckte die Achseln. Gewöhnlich war ihre Phantasie lebhafter, aber heute kam sie einfach nicht in Fahrt.
    «Er hat ein nettes Lächeln und eine angenehme Stimme», vervollständigte Emily das Bild. Dann stand sie auf, leicht O-beinig und mit einwärts gedrehten Zehen. Sie hatte ein Stück Schnur entdeckt, das sie nachdenklich um ihren Finger wickelte. «Verdient so ’n Polizist viel Geld?»
    «Quatsch. Ist arm wie eine Kirchenmaus», sagte Sir Miles und hoffte, ihr damit einen Dämpfer zu versetzen.
    Offensichtlich war ihm das gelungen. «Ich kann nur jemanden mit viel Geld heiraten. Ich brauch es für die Pferde. Ich werd mal ganz viele Pferde haben.» Sie drehte sich um und ging zur Tür hinaus.
     
    Superintendent Richard Jury hielt sich erst knapp eine Stunde in Littlebourne auf, und schon hatte er zwei Frauenherzen zum Schmelzen gebracht.
    Obwohl Emily Louise Perks Schmelzpunkt etwas höher lag als der von Polly Praed.

3
    Nicht die Polizei fand die Leiche , zu der der Finger einmal gehört hatte, sondern Miss Ernestine Craigie, die Schwester Augustas. Wie gewöhnlich war sie in Gummistiefeln, Anorak und mit einem Feldstecher um den Hals in den Wald von Horndean gezogen. Ernestine war nicht nur die Vorsitzende, sondern das Herz, die Seele und der starke Arm der Königlichen Gesellschaft der Vogelfreunde von Hertfield.
    Der Wald von Horndean war ein ziemlich düsteres, mit Eichen, Eschen und Adlerfarnen bewachsenes Gebiet, dessen endlos wirkende Sümpfe und Moore sich zwischen Littlebourne und der sehr viel größeren Stadt Horndean erstreckten, ein Paradies für alle möglichen Vogelarten. Der Wald selbst war nicht gerade hübsch und auch nicht sehr einladend, denn selbst im Hochsommer wirkte er irgendwie winterlich trostlos mit seinem graubraunen Buschwerk und dem Laub, das nie jenen leuchtenden, herbstlichen Goldton aufwies. Außer im Dreck herumzustapfen, wie Miss Craigie das zu tun pflegte, gab es an diesem gottverlassenen, sumpfigen Ort nichts zu tun. Nichts, als Vögel zu beobachten und Morde zu begehen.
     
    Polizeihunde hatten die Stelle, an der der kleine Hund herumgewühlt hatte – die Rosenbüsche der Geschwister Craigie –, gründlich abgeschnuppert. Die Schwestern konnten von Glück sagen, daß die Leiche nicht darunter begraben worden war, sonst hätten sie einiges über sich ergehen lassen müssen. Es war schon so schlimm genug. Auf die eine oder andere. Weise wurde diese Leiche immer wieder im Zusammenhang mit den Craigies erwähnt. Sie war zwar nicht unter Augustas Rosenbüschen, dafür aber von Ernestine gefunden worden: Sie lag halb in dem schlammigen Wasser eines Bachs, der durch den Wald von Horndean floß.
    Als Superintendent Jury und Wachtmeister Gere am Fundort erschienen, fanden sie einen dichten Knäuel von Polizei und Hunden vor, die sich anscheinend alle einen guten Platz ergattern wollten. Einer der Männer kam auf sie zu.
    «Tag, Peter.» Er streckte Jury die Hand hin. «Sie sind von Scotland Yard, stimmt’s?» Jury nickte. «Ich bin Carstairs.» Kriminalinspektor Carstairs hatte eine stark gebogene Nase und etwas von einem Raubvogel an sich. «Kommen Sie. Wir haben sie vor einer halben Stunde gefunden. Das heißt, eine Frau aus dem Dorf hat sie gefunden – einer von unsern Leuten hat sie nach Hause gebracht. Muß
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