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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
Autoren: Martha Grimes
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sauste auf sie zu. Sie hörte noch, wie die Schritte sich entfernten, dann versank sie in dem Dunkel wie in einem Haufen Sand, tiefer und tiefer. Bevor sie völlig unter ihm begraben wurde, blieb ihr noch ein Augenblick Zeit, sich wie zum Spaß die Frage zu stellen, ob Evita vielleicht aus ihrem Plakat herabgestiegen sei, mit den Armen, die Hammer und Sichel hielten, ausgeholt habe, und dann zurück nach Argentinien enteilt sei.
    Don’t cry for me –
     
     
     
    Seinen neuesten Fund im Maul, trottete der zottige, kleine Hund über den Rasen der Grünanlage. Er überquerte die Hauptstraße und lief das Trottoir entlang, wo er vor jedem Hauseingang stehenblieb; da aber keiner als Versteck für diesen besonderen Fund in Frage kam, setzte er seine Suche fort.
    Der kleine Hund gehörte niemandem, trieb sich aber überall herum. Meistens sah man ihn unter der Rosenhecke der beiden Craigie-Schwestern herumbuddeln oder im Wald von Horndean Mäuse oder Elfen jagen. Als der kleine Hund die hagere Gestalt aus dem Süßwarenladen herauskommen sah, blieb er stehen, legte den Kopf zur Seite, als frage er sich, ob die Person etwas taugte, und rannte dann ausgelassen auf sie zu. Er hatte Miss Augusta Craigie erkannt, deren Rosenbüsche er neulich ruiniert hatte. Augusta Craigie versuchte, ihn zu verscheuchen. Sie konnte den Hund nicht ausstehen.
    Der Hund faßte das Herumwedeln und -fuchteln jedoch als Aufforderung zum Spielen auf. Er bellte und ließ den Knochen vor Miss Craigies Füße fallen. Sie wollte ihn schon wegkicken, aber plötzlich hielt die Spitze ihres Gesundheitsschuhs mitten in der Bewegung inne. Sie schaute sich den Knochen genauer an und kam zu dem Schluß, daß es sich nicht um einen Knochen, sondern um einen Finger handelte.
    Nach dem Anruf aus dem Dorf war die Hertfielder Polizei innerhalb von zehn Minuten zur Stelle. Aber sie konnten machen, was sie wollten – ihm rohes Fleisch geben, ihn am Kopf kraulen und was sonst noch alles –, der kleine Hund führte sie nicht zu der dazugehörigen Leiche.
     
     
     
    Superintendent Richard Jury stopfte gerade ein zweites Paar Socken in einen Seesack – seine Reisevorbereitung für ein Wochenende bei seinem Freund Melrose Plant in Northamptonshire –, als das Telefon klingelte.
    Er starrte auf den Apparat. Kein normaler Mensch würde ihn an einem Samstagmorgen um Viertel nach sieben anrufen, es sei denn, um ihm etwas mitzuteilen, was er bestimmt nicht hören wollte. Er ließ es viermal klingeln, fest entschlossen, nicht ranzugehen, aber dann wurde er, wie die meisten Leute, doch schwach – ein nicht beantworteter Anruf war für ihn inzwischen zur entscheidenden Botschaft aus dem All geworden – und nahm den Hörer ab. «Jury am Apparat.»
    «Su-per-in-ten-dent Jury.» Die Stimme zitterte. Es war auch keineswegs die Stimme Gottes, obwohl der Mann vom Scotland Yard, dem sie gehörte, das glatt behauptet hätte.
    Mit sehr viel Gusto bereitete Chief Superintendent Racer Jury auf die Hiobsbotschaft vor. «Nanu, junger Mann, immer noch in der Stadt? Ich frage mich, was London die Ehre verschafft.»
    «Mein Koffer ist gepackt», sagte Jury, ohne sich provozieren zu lassen.
    Die verbindliche Stimme wurde scharf. «Den Jagdrock können Sie wieder auspacken, Jury. Sie werden nicht nach Northants fahren.»
    Racer, der sich selbst wie ein Landadliger fühlte, nahm selbstverständlich an, daß jemand mit einem Adelstitel und einem Gut von der Größe von Ardry End auch Fuchsjagden veranstaltete.
    «Ich verstehe nicht ganz», sagte Jury, der sehr wohl verstanden hatte. Das Telefon war in der Küche, Jury lehnte an der offenen Tür des Kühlschranks und blickte in das nicht sehr einladende Innere. Ein Hühnerschlegel und ein halber Liter Milch.
    «Ganz einfach, Jury – Sie fahren nach Hertfield und nicht nach Northants; in einen Ort namens …»
    Während Racer sich vom Telefon abwandte, um sich am anderen Ende der Leitung gedämpft mit jemandem zu besprechen, nahm Jury den Hühnerschlegel heraus und fragte sich, ob die Rolle des armen, einsamen und möglicherweise auch noch hungernden Polizisten wirklich seinem Image entsprach; er kam zu dem Schluß, daß dem nicht so war, und warf die Kühlschranktür zu. Mit dem Teller in der Hand und dem Hörer am Ohr ging er ins Wohnzimmer und wartete darauf, daß Racer zur Sache kam.
    «Littlebourne», ließ sich die unwirsche Stimme vernehmen, und als Jury nicht sofort reagierte, rief sie: «Jury!»
    «Sir!»
    Eine Pause. «Das meinen
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