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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
Autoren: Martha Grimes
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wurde.
    Und man hätte sich getäuscht.
     
    «Du wirst allmählich zum Alkoholiker, Melrose. Das ist bereits dein zweiter Sherry», sagte Lady Agatha Ardry.
    «Wenn nur die Anzahl eine Rolle spielt, dann wirst du allmählich zum Cremetörtchen. Das ist dein drittes», sagte Melrose Plant, der letzte aus dem Geschlecht der Earls von Caverness. Und vertiefte sich wieder in seine Straßenkarte.
    Sie warf ihm einen grollenden Blick zu, während sie das geriffelte Papier von dem Törtchen schälte. «Was machst du da?»
    «Ich schaue mir eine Straßenkarte an.»
    «Wieso?»
    «Weil da Straßen drauf sind.» Melrose stöpselte die Karaffe zu und nippte an dem Sherry in dem Waterford-Kristallglas.
    «Sehr komisch, Plant.»
    «Ganz schlicht und einfach die Wahrheit, liebe Tante.» Melrose hatte Hertfield entdeckt, aber wo war dieses Littlebourne?
    «Du weißt ganz genau, was ich meine. Du willst doch nicht wegfahren? Ich an deiner Stelle würde nicht immer nach London fahren. Du solltest mal besser hierbleiben und nach dem Rechten sehen. Wenn es aber unumgänglich ist, komme ich natürlich mit. Ich habe eine Menge Besorgungen zu erledigen; ich würde auch mal gerne bei Fortnum reinschauen und Kuchen kaufen.»
    Melrose versuchte erst gar nicht, ihr zu widersprechen, da sie ihn schneller als einen fliegenden Teppich nach London und wieder zurück gehetzt hätte. Er konnte sich also wieder seiner Karte widmen. Er gähnte. «Bei Fortnum gibt’s keine Cremetörtchen, Agatha.»
    «Natürlich gibt es da welche.»
    «Nun, wir werden es wohl nie erfahren.»
    Mißtrauisch beäugte Lady Ardry ihren Neffen, als enthielte seine Bemerkung eine Bedeutung, die sie wie eine Goldfüllung aus einem Zahn herausbrechen mußte.
    Gold war übrigens auch etwas, womit sie sich beschäftigte. Sie hatte gerade Plants neueste Anschaffung, ein kleines, goldenes Figürchen, begutachtet. Sie nahm es noch einmal in die Hand, drehte und wendete es und meinte: «Das muß dich eine Menge gekostet haben, Melrose.»
    «Willst du den Kassenzettel sehen?» Er rückte die Brille auf seiner Nase zurecht und schaute sie über den Rand seines Sherryglases hinweg an.
    «Wie geschmacklos, Melrose. Es ist mir völlig gleichgültig, wieviel du für deine Sachen ausgibst.»
    Er sah, daß sie ihre riesige Handtasche geöffnet hatte und darin herumwühlte; sie kramte alle möglichen undefinierbaren Gegenstände hervor und stellte sie auf den Tisch. Machte sie Platz für die Goldfigur? Melrose stattete ihr ab und zu einen Besuch in ihrem Häuschen in der Plague Alley ab; zum einen war das als höfliche Geste gedacht, zum andern wollte er sein Eigentum wiedersehen. Es war ihm ein Rätsel, wie sie es schaffte, reihenweise Möbelstücke aus Ardry End herauszubefördern, ohne daß er es merkte. Einmal kam er gerade mit dem Fahrrad die Einfahrt hinauf und entdeckte einen Möbelwagen vor der Tür. Nun ja, Ardry End war riesig, und es kümmerte ihn eigentlich auch nicht, solange sie die Porträts in der Ahnengalerie und die Enten im Teich ließ. Dann erspähte er etwas, was sie gerade aus ihrer Tasche auf den Tisch befördert hatte.
    «Gehört das nicht mir?» fragte er.
    Eine leichte Röte überzog ihr Gesicht. «Dir? Dir? Mein lieber Plant, was soll denn ich mit deinem Visitenkartenetui anfangen?»
    «Weiß ich auch nicht. Deswegen frage ich ja.»
    «Ich frage mich, was du mir da unterstellen willst.»
    «Ich unterstelle gar nichts. Ich stelle nur fest, daß du mein Visitenkartenetui eingesteckt hast.»
    Einen Augenblick lang dachte sie angestrengt nach. «Erinnerst du dich nicht?»
    «An was?»
    «Deine liebe Mutter, Lady Marjorie –»
    «Ich erinnere mich an meine Mutter. Ja. Dieses Etui hat ihr gehört.» Melrose klappte sein goldenes Zigarettenetui auf und zündete sich eine Zigarette an. «Willst du mir weismachen, daß meine Mutter es dir geschenkt hat?»
    Statt seine Frage zu beantworten, begann sie in Erinnerungen zu schwelgen. «Deine liebe Mutter, die Gräfin von Caverness –»
    «Wenn man dich über die Mitglieder meiner Familie reden hört, könnte man glauben, ich sei nicht imstande, sie auseinanderzuhalten. Ich weiß, daß meine Mutter die Gräfin von Caverness war. Ich weiß auch, daß mein Vater der siebte Earl von Caverness und dein seliger Mann der Honourable Robert Ardry –»
    «Laß die Späße, mein lieber Plant.»
    «Darf ich fortfahren – bitte. Robert Ardry war mein Onkel. Und ich bin zur allgemeinen Bestürzung nicht mehr der achte Earl. So, das
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