Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote
und Dichter gewidmet hat, möglicherweise unterbrochen von gelegentlichen Abstechern nach Sussex, um bei den Damen Tredown unter Drohungen Geld abzukassieren. Inzwischen entwickelte sich Der erste Himmel allmählich zu dem von Tredown prophezeiten Erfolg. Als Miller drei Jahre nach der Ermordung Hexhams wieder auftauchte, konnten sie ihn bezahlen, ohne dass es sehr wehtat. Inzwischen hatte sich Miller mit Bridget Cook verlobt. Vielleicht wollte er sie tatsächlich heiraten. Sie besaß einen Wohnwagen und ein Auto, was für einen wie ihn keine schlechte Wahl war.«
Wexford erzählte die Details: »Mit den tausend Pfund in der Jeanstasche begab sich Miller in Grimbles Bungalow. Wer weiß, wie oft er während seines Aufenthalts auf Grimble’s Field schon drinnen gewesen war? Bridgets Dusche war kaputt. Er hat sich in der Küche ausgezogen, hat die Kleidung auf der Anrichte liegen gelassen und ist ins Bad, um sich unter dem spärlichen Rinnsal zu waschen, das aus dem Hahn kam. Er hatte nicht die Absicht, diese Klamotten wieder anzuziehen – mit Ausnahme des T-Shirts. Das hätte er Bridget zuliebe wieder getragen. Allerdings hätte er die Kleidungsstücke auch nicht einfach liegen gelassen. Immerhin steckten in der Jeanstasche noch tausend Pfund, und die wollte er sicher mitnehmen. Nach dem Waschen wollte er sich nach Belieben an Arthur Grimbles Garderobe bedienen. Er war sogar bereits im Schlafzimmer gewesen und hatte Schlüssel, Uhr und Brieftasche in ein Sportsakko gesteckt. Im Bad hat ihn dann Ronald McNeil überrascht. Nun behauptet Irene McNeil, Miller hätte ihren Mann mit einem Messer bedroht, und das Messer, das wir Darrel Fincher abgenommen haben, hat mit großer Wahrscheinlichkeit Miller gehört. Trotzdem – trägt ein Mann ein Messer bei sich, wenn er glaubt, er sei allein im Haus? Ein Mann, der sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen hat? Ein Mann im Bad ? Das glaube ich nicht. Meiner Ansicht nach ist Folgendes passiert: Nachdem McNeil Miller erschossen hatte, entdeckte er unter der Kleidung in der Küche ein Messer und legte es ins Bad, um seine Geschichte glaubwürdig zu machen. Die tausend Pfund blieben an Ort und Stelle, in Millers Jeanstasche. Schade, dass sie nie den Weg zu Bridget Cook gefunden haben.«
»Sie kann von Glück sagen, dass sie davongekommen ist«, konstatierte Hannah.
»Vielleicht wird sogar sie diese Meinung teilen«, meinte Wexford, »wenn die Öffentlichkeit erst einmal alles weiß.«
In dem Restaurant Auf der Suche nach Indien sagte Wexford zu Burden: »Wir kommen hierher, weil es mehr oder weniger gleich nebenan liegt – na ja, du kommst, um dich an Schönheit zu weiden, und ich muss dir zuliebe mit. Ein anderer Grund fällt mir nicht ein. Allmählich hängt mir indisches Essen zum Hals heraus.«
»An der Ecke Queen Street hat ein neues Lokal eröffnet. Mit usbekischer Küche. Wir könnten es damit versuchen.«
Der Perlenvorhang wurde beiseitegeschoben, und Matea trat heraus, dicht gefolgt von Rao in einem engen Anzug mit Fliege. Bei ihrem Anblick blieb Matea stehen und flüsterte ihrem Chef etwas zu, der daraufhin anscheinend eine Diskussion mit ihr begann, die er nach einigen Augenblicken mit ausgebreiteten Händen achselzuckend beendete und sie wieder zurückgehen ließ. Dann kam er mit zwei Speisekarten in der Hand zu Wexford und Burden herüber und verbeugte sich mit einem strahlenden Lächeln vor ihnen.
»Was sollte das denn?«, wollte Burden wissen, nachdem Rao ihre Bestellung entgegengenommen hatte.
»Weiß der Kuckuck. Ehe wir weiterreden, muss ich dir etwas miteilen. Tredown ist tot. Barry hat es mir beim Hinausgehen gesagt.«
Burden war still. »Vermutlich könnte man in diesem Fall tatsächlich von einer gnädigen Erlösung sprechen.«
»Ja. Armer Kerl. Sein Diebstahl hat ihm nicht viel Freude gebracht. Was hat er bekommen? Geld, Geld für seine zwei Teufelsbraten. Aber wenn man es richtig bedenkt, dann wussten sie damit nicht einmal etwas anzufangen. Habe ich recht? Flagford ist ein hübsches Dorf, aber sie haben im hässlichsten Haus gewohnt. Meiner Erfahrung nach haben sie nie Urlaub gemacht. Sie besaßen kein einziges ordentliches Möbelstück. Ihr Auto war fünfzehn Jahre alt. Wenn Tredown sein Bewusstsein verändern wollte, hat er sich dazu nicht teurer Opiate bedient, sondern eines Krauts, das jeder im Garten anbauen kann.«
Und der stets an modischen Dingen interessierte Burden ergänzte: »Die eine Ehefrau ist wie eine Pennerin gekleidet, und die
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