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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote
Autoren: Ruth Rendell
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»Penthouse« vor sich. Aus der Wohnung nebenan dröhnte harte Rockmusik. Stumm und von für sie unerklärlichen Gesetzen verwirrt saßen beide Eltern da und begriffen nicht, warum man ihnen das angetan hatte. Sie hatten das Beste für ihre Tochter getan und dafür gesorgt, dass sie in der Gemeinschaft akzeptiert und als Ehefrau begehrt sein würde. Und trotzdem hatte man sie ihnen weggenommen. Sie waren als Erziehungsberechtigte ungeeignet. Was hatten sie falsch gemacht? Le métier d’homme est difficile. Mensch sein ist wahrlich eine schwierige Aufgabe. Auf Französisch klang es viel besser.
    An einem düsteren Tag Ende November – am selben Tag hatte das Bauamt von Kingsmarkham zum zweiten Mal John Grimbles Antrag auf Errichtung mehrerer Häuser abgelehnt – wagten sich Jim Belbury und Honey vorsichtig wieder in ihr Trüffelrevier, denn die Pilzsaison war noch nicht ganz vorbei. Der Graben war verfüllt, die Polizeiabsperrung verschwunden. Jim hatte als Belohnung für Honey – für den Erfolgsfall – ein ordentliches Stück Sonntagsbraten dabei, hygienisch in einer recycelbaren Plastiktüte verpackt.
    Ihr Jagdgebiet war es nach wie vor, aber diesmal eine andere Stelle, sonst wäre es Jim ein wenig mulmig gewesen. Suchend liefen sie das Grundstück ab, bis Jim unter einer Eiche einen Fliegenschwarm herumschwirren sah. Die Eiche stand direkt am Gartenzaun der Pickfords, aber in deren Garten war niemand. Dafür war es zu kalt und zu feucht. Hinter den Terrassentüren sah Jim den Fernsehbildschirm leuchten und davor Mr. Pickford, der zusammen mit seinem Sohn ein Kricketmatch aus Australien verfolgte.
    Jim rief seinen Standardspruch: »Los, Mädel, buddeln!«
    Auf diese Wörter wartete Honey. Vermutlich hätte nichts anderes sie in Gang gesetzt, aber schon diese drei Wörter genügten. Sie schnappte nach den Fliegen und begann, geschäftig die frisch gefallenen Blätter, die darunter liegende, bereits verrottete Laubschicht und den weichen Lehmboden zu durchwühlen. Jim rechnete nicht mit Erfolg. Diesmal nicht, dazu war das Jahr schon zu weit fortgeschritten. Aber Honey hatte ihren Spaß. Er zupfte an ihrer Leine und zog sie zu dem Platz, wo sich die Fliegen nach ihrer Vertreibung erneut versammelt hatten und wieder wie verrückt herumtanzten.
    Diesmal änderte er sein Kommando etwas ab: »Probier’s mal, Mädel.«
    Sie brauchte länger als üblich, buddelte tiefer. Beim Anblick des Riesentrüffels, mit dem sie auftauchte, wollte er seinen Augen nicht trauen. Sie konnte ihn kaum in der Schnauze halten. Er war fast zu groß für sie, so groß wie der größte Selleriekopf in Morella’s Hofladen, so groß wie ein Halloween-Kürbis.
    Jim hielt die Hände auf. Sie ließ ihn ohne Protest hineinfallen. Er schnüffelte daran. Dieses Aroma, dieser Duft! Dafür würde einer der schicken Londoner Küchenchefs, die im Fernsehen auftraten, mehr bezahlen, als Jims Heizölrechnung für den nächsten Winter ausmachte. »Braves Mädel«, sagte er und ließ eine dicke Scheibe erstklassiges schottisches Rindfleisch in Honeys Schnauze fallen.
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