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Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Titel: Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Autoren: Ian Rankin
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Schreibtisch - gleiches Resultat -, und wieder andere auf einem Aktenschrank in der Ecke. Rebus setzte sich in Chief Superintendent Watsons Schreibtischsessel, um seine Theorie zu verifizieren. Die Schnappschüsse standen nicht für Watson da, sie waren für seine Besucher bestimmt. Und seinen Besuchern gaben sie kund und zu wissen, dass Watson ein Familienmensch war, ein rechtschaffener Mann, ein Mann, der es im Leben zu etwas gebracht hatte. Anstatt dem Büro eine menschliche Note zu verleihen, wirkten sie wie Exponate.
    Der Kollektion war kürzlich ein neues Foto hinzugefügt worden: ein altes, leicht unscharf, wie durch ein minimales Zucken der Kamera verwischt. Ausgezackte Kanten, weißer Rand und in einer Ecke die unleserliche Unterschrift des Fotografen. Ein Familienbild: Vater stehend, eine besitz ergreifende Hand auf der Schulter seiner Gattin, die ihrerseits ein Kleinkind auf dem Schoß hielt. Die andere Hand des Vaters umklammerte die blazerbekleidete Schulter eines kleinen Jungen mit kurz geschorenem Haar und stechenden Augen. Deutlich zu erkennen war das Nachwirken gewisser vorausgegangener Spannungen: Der Junge versuchte sichtlich, seine Schulter vom väterlichen Griff zu befreien. Rebus ging mit dem Foto ans Fenster, bestaunte die steife Feierlichkeit der Szene. Er fühlte sich selbst wie steif gestärkt in seinem dunklen Wollanzug, weißen Hemd und schwarzen Schlips. Dazu schwarze Socken und Schuhe, Letztere noch an dem Morgen ordentlich blank geputzt. Draußen verhieß ein bedeckter Himmel Regen. Prima Wetter für ein Begräbnis.
    Chief Superintendent Watson trat mit einer Gemächlichkeit ins Zimmer, die sein Temperament verriet. Hinter seinem Rücken nannten sie ihn »den Farmer«, weil er aus dem Norden kam und etwas von einem Angusrind an sich hatte. Er trug seine beste Uniform, in einer Hand die Mütze, in der anderen einen weißen DIN-A4-Umschlag. Er legte beides auf den Schreibtisch, während Rebus das Foto wieder an seinen Platz stellte und es so ausrichtete, dass es zum Sessel des Farmers sah.
    »Sind Sie das, Sir?«, fragte er und tippte auf das mürrisch dreinschauende Kind.
    »Das bin ich.«
    »Mutig von Ihnen, sich uns in Shorts zu präsentieren.«
    Aber der Farmer ließ sich nicht ablenken. Rebus konnte sich drei mögliche Erklärungen für die roten Äderchen denken, die sich über Watsons Wangen schlängelten: körperliche Anstrengung, Alkohol oder Wut. Keinerlei Anzeichen von Kurzatmigkeit, also schied Ersteres aus. Und wenn der Farmer Whisky trank, spiegelte sich das nicht lediglich auf seinen Wangen wider: Sein ganzes Gesicht nahm dann einen rosigen Glanz an und schien sich zusammenzuziehen, bis es koboldhafte Züge annahm.
    Womit Wut übrig blieb.
    »Kommen wir zur Sache«, sagte Watson mit einem Blick auf seine Uhr. Sie hatten beide nicht viel Zeit. Der Farmer öffnete den Umschlag und schüttelte ein Päckchen mit Fotos auf seinen Schreibtisch, öffnete dann das Päckchen und schob die Aufnahmen Rebus zu.
    »Sehen Sie selbst.«
    Rebus sah. Das waren Abzüge des Films aus Darren Roughs Fotoapparat. Der Farmer zog seine Schublade auf und holte eine Akte hervor. Rebus sah sich die Bilder an. Zootiere, in Käfigen und hinter Mauern. Und auf einigen Aufnahmen - nicht allen, aber einem ansehnlichen Teil davon - Kinder. Das Objektiv hatte eindeutig diese Kinder anvisiert, wie sie miteinander redeten oder Süßigkeiten kauten oder vor den Tieren Grimassen zogen. Rebus atmete auf und blickte den Farmer an in Erwartung einer Bestätigung, die allerdings ausblieb.
    »Nach Aussage Mr. Roughs«, erklärte der Farmer, den Blick auf ein Blatt der Akte gerichtet, »sind die Fotos Teil einer Kollektion.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Zum Thema ›Ein Tag im Leben des Edinburgher Tierparks‹.«
    »Sicher doch.«
    Der Farmer räusperte sich. »Er nimmt an einem Abendkurs in Fotografie teil. Ich habe es überprüft, und es stimmt. Es stimmt ebenfalls, dass das Thema seines Projekts der Zoo ist.«
    »Und auf fast jedem Bild sind Kinder zu sehen.«
    »Genau genommen auf weniger als der Hälfte.«
    Rebus warf die Fotos auf den Schreibtisch. »Nun kommen Sie schon, Sir.«
    »John, Darren Rough ist seit fast einem Jahr aus der Haft entlassen und hat bis dato keinerlei Anzeichen von Rückfälligkeit an den Tag gelegt.«
    »Ich habe gehört, er wäre nach Süden gezogen.«
    »Und ist wieder zurück.«
    »Sobald er mich gesehen hat, ist er losgerannt.«
    Der Farmer hatte für die Bemerkung lediglich
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