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Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Titel: Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Autoren: Ian Rankin
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noch einem Jungen wie Darren Rough zuzuwenden? Vielleicht Ince' Beharrlichkeit; oder einfach Begierde und Neugier, die Aussicht auf eine weitere verbotene Frucht...
    Katherine Margolies' Stimme klang jetzt wieder gefasst. »Ich glaube, dass Jim Polizist wurde, war für ihn ein Weg, seinem Vater etwas zu sagen - ihm zu sagen, dass er niemals vergessen, niemals vergeben würde.«
    »Aber wenn er das von seinem Vater schon die ganze Zeit wusste, warum hat er sich dann getötet?«
    »Ich hab's Ihnen doch gesagt! Wegen Hannah.«
    »Seiner Schwester?«
    Sie stieß ein freudloses Lachen aus. »Natürlich nicht.« Schwieg einen Augenblick. »Unsere Tochter, Inspector. Ich meine unsere Tochter Hannah. Jim hatte... er machte sich schon seit einiger Zeit Sorgen.« Sie atmete tief durch. »Mir war aufgefallen, dass er nicht schlief. Ich wachte nachts auf, und da lag er mit offenen Augen im Dunkeln und starrte an die Decke. Eines Nachts sagte er es mir. Er meinte, ich solle es wissen.«
    »Worüber machte er sich denn Sorgen?«
    »Dass er dabei war, sich in seinen Vater zu verwandeln. Dass es eine genetische Veranlagung war, etwas, worüber er keinerlei Kontrolle hatte.«
    »Sie meinen, Hannah?«
    Sie nickte. »Er sagte, er versuche, diese Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen, aber sie kämen trotzdem. Er schaute sie an und sah nicht mehr seine Tochter.« Ihre Augen waren auf das Muster des Fußbodens gerichtet. »Er sah etwas anderes, etwas Begehrenswertes...«
    Endlich war Rebus alles klar - alle Ängste Jim Margolies', die Vergangenheit, die ihn verfolgt hatte, und die Sorge, dass sie sich wiederholen würde. Er begriff, warum der Mann sich auf jung aussehende Prostituierte verlegt hatte. Begriff das Grauen der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Nicht in unseren Kreisen . Wenn Familien wie die Margolies und die Petries diese »besseren Kreise« darstellten, dann wollte er mit ihnen nichts zu tun haben.
    »Er war den ganzen Abend sehr still gewesen«, fuhr Katherine Margolies fort. »Ein-, zweimal hatte ich ihn dabei beobachtet, wie er Hannah betrachtete, und gesehen, was für eine Angst in ihm war.« Sie rieb sich die Augen, sah mit einem verzweifelten Blick empor zur Decke. Das Geräusch, das aus ihrer Kehle drang, war der Laut eines gefangenen Tiers.
    »Auf dem Heimweg hielt er den Wagen an, stieg aus und rannte weg. Ich bin ihm gefolgt, und als ich ihn eingeholt hatte, blieb er einfach stehen. Anfangs war mir nicht klar, dass er sich ganz am Rand der Crags befand. Er muss mich gehört haben. Und dann war er plötzlich weg. Wie weggezaubert, wie von einem Magier weggezaubert. Dann begriff ich, was passiert war. Er war gesprungen. Ich fühlte mich... tja, ich weiß nicht, wie ich mich fühlte. Benommen, verraten, schockiert.« Sie schüttelte den Kopf, selbst jetzt noch unsicher, was für Gefühle sie dem Mann entgegenbrachte, der sich eher das Leben genommen hatte, als seinem schändlichen Verlangen nachzugeben. »Ich bin zum Auto zurück. Hannah wollte wissen, wo ihr Daddy sei. Ich sagte, er würde einen Spaziergang machen. Ich habe mich ans Steuer gesetzt und bin heimgefahren. Ich bin nicht den Hang hinunter gestiegen, hab nicht versucht, ihm zu helfen. Ich hab gar nichts getan. Gott weiß, warum.« Jetzt fuhr sie sich mit beiden Händen durch das Haar. Rebus stand auf, öffnete eine Tür. Sie führte in ein förmlich eingerichtetes Speisezimmer. Kristallkaraffen auf einem blank polierten Sideboard. Er schnüffelte an einer, schenkte ein großes Glas Whisky ein. Ging damit in die Eingangshalle und reichte es Katherine Margolies. Lief wieder zurück und holte sich ebenfalls eines. Jetzt war ihm die Abfolge der Ereignisse klar: Jane Barbour erzählt Jim, dass Rough wieder in die Stadt kommt; Jim sieht sich den Fall noch einmal an, bleibt bei dem dritten Mann hängen. Weiß, dass sein Vater früher in Kinderheimen gearbeitet hatte. Will es wissen, nimmt Darren Rough ins Verhör, seine Welt bricht wie ein Kartenhaus in sich zusammen...
    »Wissen Sie«, sagte seine Witwe jetzt, »Jim hatte keine Angst zu sterben. Er sagte, dass es da so einen Kutscher gebe.«
    »Einen Kutscher?«
    »Der einen da hinfuhr, wo man nach dem Tod eben hinsollte.« Rebus nickte. »Eine alte Edinburgher Gespenstergeschichte, das ist alles.«
    »Sie glauben also nicht an Gespenster?«
    »Das würde ich nicht unbedingt sagen.« Er hob sein Glas. »Auf Jim«, sagte er. Als er sich umsah, war weit und breit kein Gespenst zu sehen.
51
    Eine Woche später
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