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Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Titel: Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Autoren: Ian Rankin
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nichts, was den Mieter als »perverse Sau« identifiziert hätte. Unten hatte der Rodelschlitten eine Kurve zu schnell genommen und den Fahrgast abgeworfen. Unter Rebus öffnete sich geräuschvoll ein Fenster.
    »Ich hab dich gesehen, Billy Horman! Das hast du mit Absicht gemacht!« Die Frau von vorhin; ihre Worte an den Jungen gerichtet, der den Schlitten gezogen hatte.
    »Hab ich nich!«, schrie er zurück.
    »Kacke, und ob du's hast! Ich schlag dich tot!« Dann, in einem ganz anderen Ton: »Alles in Ordnung, Jamie? Ich hatte dir doch gesagt, du solltest nicht mit diesem kleinen Mistkerl spielen. Jetzt komm rein!«
    Der lädierte Junge wischte sich die Nase mit dem Handrücken - die trotzigste Reaktion, die er sich offenbar herauszunehmen wagte -, ging dann auf das Hochhaus zu und schaute noch einmal zurück zu seinem Freund. Ihre Blicke begegneten sich nur ein, zwei Sekunden lang, aber das genügte, um die Gewissheit zum Ausdruck zu bringen, dass sie weiterhin Freunde waren, dass die Welt der Erwachsenen dieses Band niemals zerreißen konnte.
    Rebus sah dem Schlittenzieher, Billy Horman, nach, wie er davonschlurfte, und stieg dann drei Stockwerke hinunter. Die Wohnung der Frau war leicht zu finden. Er hörte ihr Gezeter schon aus dreißig Metern Entfernung und fragte sich, ob sie zu den »Problemmietern« gehörte; gelangte zu dem Schluss, dass nur wenige sich getraut haben dürften, sich offen über sie zu beschweren...
    Die Tür war stabil, offenbar vor nicht langer Zeit dunkelblau gestrichen worden, und hatte einen Spion. Am Fenster Tüllgardinen. Sie zuckten, als die Frau nachsah, wer ihr Besucher war. Als sie die Tür öffnete, flitzte ihr Sohn wieder hinaus und die Galerie entlang.
    »Ich lauf nur grad zum Laden, Mama!«
    »Kommst du wohl wieder her!«
    Aber er tat so, als habe er sie nicht gehört, und verschwand hinter der nächsten Ecke.
    »Gott, gib mir die Kraft, ihm den Hals umzudrehen«, sagte sie.
    »Sie haben ihn offensichtlich von Herzen lieb.«
    Sie starrte ihn feindselig an. »Haben wir was zu bereden?«
    »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet: Ehemann oder Freund?«
    Sie verschränkte die Arme. »Ältester Sohn, wenn Sie's unbedingt wissen müssen.«
    »Und Sie dachten, ich wäre seinetwegen hier?«
    »Sie sind doch von der Polente, oder?« Als er nichts erwiderte, schnaubte sie.
    »Sollte ich ihn also kennen?«
    »Calumn Brady«, sagte sie.
    »Sie sind Cals Mum?« Rebus nickte langsam. Er hatte von Cal Brady schon gehört: ein Gauner, wie er im Buche stand. Cals Mutter war ihm ebenfalls ein Begriff.
    Sie war um die einssiebzig groß, Lammfellpantoffeln mitgerechnet. Kräftig gebaut, mit dicken Armen und Handgelenken und einem Gesicht, das schon vor langer Zeit zu dem Schluss gelangt war, dass Make-up auch nichts mehr nützen würde. Ihr dichtes platinblondes, am Ansatz braunes Haar war in der Mitte gescheitelt. Sie trug den obligatorischen satinglänzenden Jogginganzug, blau mit einem Silberstreifen an Ärmeln und Hosenbeinen.
    »Sie sind also nicht wegen Cal hier?«, fragte sie.
    Rebus schüttelte den Kopf. »Es sei denn, Sie meinen, er hätte was angestellt.«
    »Also, was wollen Sie dann?«
    »Haben Sie je was mit einem Ihrer Nachbarn zu tun gehabt, einem jüngeren Typen namens Darren Rough?«
    »Welche Wohnung?« Rebus gab keine Antwort. »Hier ist ein ständiges Kommen und Gehen. Das Sozialamt steckt die hier immer für ein paar Wochen rein. Weiß der Geier, was aus denen dann wird, sie verschwinden einfach oder werden woanders hingeschafft.« Sie schniefte. »Wie sieht der aus?«
    »Schon gut«, sagte Rebus. Jamie war wieder unten auf dem Spielplatz; von seinem Freund weit und breit nichts zu sehen. Er rannte im Kreis, zog dabei den Schlitten hinter sich her. Rebus hatte plötzlich den Eindruck, dass er den ganzen Tag so hätte rennen können.
    »Hat Jamie heute keine Schule?«, fragte er, sich wieder der Frau zuwendend.
    »Geht Sie'n Scheißdreck an«, erwiderte Mrs. Brady und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.
4
    Wieder auf der St.-Leonard's-Wache. Rebus rief auf dem Computer Calumn Brady ab. Mit siebzehn hatte Cal bereits ein eindrucksvolles Vorstrafenregister: tätliche Angriffe, Ladendiebstähle, Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses. Vorerst keine Anzeichen dafür, dass Jamie in seine Fußstapfen zu treten gedachte, aber die Mutter, Vanessa Brady, bekannt als »Van«, war schon mehrfach auffällig geworden. Auseinandersetzungen mit Nachbarn waren in
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