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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen
Autoren: Martha Grimes
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Folglich war Melrose Plant der bevorzugte Kandidat, denn er besaß genug Geld, um drei zu kaufen, ohne mehr als einen Scheck auszuschreiben. Nicht zu vergessen die Titel. Recht unbedacht von ihm, sie wie Babies einfach abzustoßen (was ganz und gar nicht unbedacht gewesen wäre), aber vermutlich konnte er sie zurückbekommen. Countess of Caverness sagte ihr zu.
    Der richtige Name war beinahe so wichtig wie die richtigen Kleider. Nur ihre Mutter (wo auch immer sie sein mochte) wußte, daß sie nicht Diane Demorney of Belgravia, Capri and the Hamptons war. In Wirklichkeit hieß sie Dolly Trump und stammte aus Stoke-on-Trent, zwei Namen, bei denen sie sich senkrecht aufsetzen und sich einen doppelten Martini eingießen mußte. Vor allem, als ihr wieder einfiel, daß sich Melrose Plant über die Figur in dem Buch von Dorothy Sayers ausgelassen und gesagt hatte, was für eine eigenartige Übereinstimmung es mit diesem Namen doch sei; dann hatte er sich wieder der Lektüre eines dieser elendigen Bücher von seiner Freundin Polly Soundso gewidmet. Die mit den bemerkenswert amethystfarbenen Augen. Amethystfarben und smaragdgrün. Die beiden zusammen konnten den gesamten Verkehr auf der Autobahn sicher durch einen Schneesturm lotsen. Sie schüttelte sich und streichelte geistesabwesend ihre auffällige, kupferäugige, mehlweiße Katze. Prompt tatzte die Katze nach ihrer Hand und bekam eins übergezogen.
    Während sie ihre Gedanken gleichsam wie lange Röcke durch die Parkanlagen von Ardry End schleifen ließ, legte sich ihre Stirn in Falten. Das Ärgerliche an Melrose Plant war seine ermüdende Großzügigkeit und Bescheidenheit. Als ihre Frage nach dem Gast, den er erwartete, keine Informationen zutage förderte, hatte sie zu einer List gegriffen und ihm gesagt, sie wüßte den Namen sowieso, und hatte ihm ihr verführerischstes Lächeln geschenkt. Er hatte zurückgelächelt (wenn auch nicht verführerisch) und gesagt, schön, dann brauche er ihn ja nicht zu verraten.
    Diane gab dem Samtkissen auf ihrem Schoß einen Klaps. Und auf dieses Triumvirat, das sich da jeden Tag im Lädchen zur Langeweile traf, konnte sie auch verzichten. Marshall Trueblood, Plant und Vivian Rivington. Die Trendoisie von Long Piddleton. Daß Melrose Plant vielleicht für Vivian Rivington mehr übrig hatte, oder sie für ihn, als guttat, das verdrängte Diane Demorney lieber. Vivian mochte durchaus als hübsch gelten, eben wie jemand, der aus einem guten Stall kam, doch bislang hatte es noch keine Frau mit Diane aufnehmen können.
    Sie drehte und wendete das Cloisonné-Feuerzeug, lehnte den Kopf an die samtene Sofalehne und ließ ihre Gedanken zu der Musik Beethovens wandern, zumindest einen Teil. Die Musik beanspruchte nicht den ganzen Kopf, genausowenig wie die von Mozart oder Bach. Aber sie hatte es sich zum Prinzip gemacht, sich mittelgroße Häppchen von einer berühmten und einer fast unbekannten Größe aus Musik, Kunst und Literatur zu Gemüte zu führen. Über die Berühmtheit hatte sie sich gerade so schlau gemacht, wie nötig war, um den Kopf über Wasser zu halten; über den weniger bekannten Künstler wußte sie schlechterdings alles. Desgleichen hatte sie sich in jeweils ein Kapitelchen anderer Wissensgebiete vertieft – Geschichte, Antiquitäten, das Habitat tropischer Vögel. Wirklich erstaunlich, was eine einzige Stunde in einer Bibliothek da brachte. Wer etwas über einen weniger bedeutenden Dichter wußte, den sonst kein Mensch kannte, kam schon bald in den Geruch, eine intellektuelle Kapazität zu sein. Und dabei war alles so einfach. Sie hatte ihren Horizont erweitert und auch andere Themen, die häufig bei gesellschaftlichen Anlässen – Cocktail Parties, Theaterabenden, Krönungen – zur Sprache kamen, hinzugenommen. Diane wußte, was Zeit wert war. Warum aufs Trinity College gehen und das Book of Kells studieren, über das jeder etwas wußte – wenn man im British Museum vorbeigehen und eine Seite vom Book of Dimma lesen konnte, von dem keine Menschenseele je gehört zu haben schien, abgesehen von Experten. Zählte ihr Gegenüber zufällig zu diesen Experten, lächelte Diane einfach nur und rauchte schweigend vor sich hin. Das brachte solche Leute völlig aus der Fassung.
    Sie konnte sich kompetent zu den Kronjuwelen äußern (so daß selbst die Wächter im Tower of London klein beigeben mußten); zu Richard III. (wobei sie die Theorie vertrat, daß es Edward gewesen war, der die Prinzen eingelocht hatte); zur Haute
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