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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen
Autoren: Martha Grimes
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hielt den Ulysses unter den Arm geklemmt und klopfte jetzt darauf. «Erst als jemand Theo erzählte, dieses Buch sei relativ wertlos – schließlich war es neu gebunden –, da rang er sich dazu durch, mir aus lauter Großzügigkeit zurückzugeben, was mein ist.»
    «Das kann doch nicht wertlos sein? Wer hat ihm denn das eingeredet?»
    «Ein recht angesehener Sammler, ein Freund von mir, hat dem ‹Büchernest› einen Besuch abgestattet.»
    Melrose blieb stehen. Sie waren jetzt vor der Villa Pluck angelangt, in die gerade drei Dorfbewohner mit Kuchenschachteln und Keksdosen hineinströmten. «Wieviel haben Sie denn diesem angesehenen Sammler gezahlt?»
    «Ich? Ich?»
    «Ja, Sie.» Die vier schlenderten weiter den Bürgersteig entlang.
    Diane Demorney kam ihnen am Arm von Theo Wrenn Browne entgegen. «Ich muß schon sagen, soviel Spaß habe ich seit Tagen nicht mehr gehabt.» Die Tage datierten bei ihr offenbar von dem Zeitpunkt an, als die Scheinwerfer der Untersuchung nicht mehr auf sie gerichtet waren.
    «Das war abgekartet», sagte Vivian ziemlich schnippisch.
    Diane wölbte eine Braue. «Mein Gott, Herzchen, das will ich doch gehofft haben.» Ihr Lächeln für Jury war so strahlend, daß man hätte erblinden können. «Alle treffen sich zum Cocktail bei mir, so gegen sechs. Kommen Sie doch auch.»
     
     
    «Sehen Sie sich das an», sagte Trueblood. «Was habe ich gesagt? Wenn sich die da verlaufen haben, gibt’s bei Jurvis nicht mal mehr einen abgenagten Knochen.» Eine Schlange zog sich von Jurvis’ Laden an Ada Crisps Lädchen und «Wrenns Büchernest» vorbei. Wie bei Freunden, die zusammen in einem Bunker sitzen, schien sich bei den Schlangestehenden eine gewisse Kameradschaft zu entwickeln.
    «Kommen Sie, ich spendiere allen einen Gelben Blitz, oder wie auch immer Scroggs’ neueste Kreation heißt», sagte Trueblood und zog Vivian am Arm mit. «Dann saust das Blut in den Adern, Vivilein. Wir wollen doch fesch aussehen, wenn Graf D. –»
    «Ach, halten Sie doch den Mund!» Sie steuerte auf die «Hammerschmiede» zu, drehte sich aber noch einmal um und fragte: «Kommen Sie nicht mit?»
    «Aber ja doch», sagte Melrose. «Ich möchte Richard nur eben etwas zeigen.»
     
    «Den Teufel auch», sagte Jury. Sie standen auf der Straße und blickten an dem Geschäft hoch. Da hing ein großes, altes, frischgemaltes Schild. Zumindest war der Teil, welcher JURVIS. BESTE FLEISCHWAREN lautete, frisch gemalt. Die goldenen Lettern wölbten sich über dem verblichenen Schriftzug «Zum Schwein mit der Pfeife». Das Ganze hing an einem schmiedeeisernen Haken über der Tür. Und auf der Schwelle prangte das mittlerweile berühmte Gipsschwein in seiner ganzen Pracht, behängt mit farbenfreudigen Girlanden.
    «Erinnern Sie sich noch, wie ich Ihnen erzählte, daß Slys Kneipe einmal ‹Zum Schwein mit der Pfeife› hieß? Natürlich hat er mir ein Schweinegeld dafür abgeknöpft. Jurvis ist ganz hin und weg. Ich glaube nicht, daß Agatha es schon gesehen hat.» Melrose bemerkte die zusammengefaltete Zeitung in Jurys Tasche und sah, daß sie stark zerlesen war. «Eine schreckliche Geschichte», sagte er, die Augen immer noch auf das Wirtshausschild geheftet. «Welch furchtbare Ironie. Warum hat sie den Scheißkerl nicht einfach umgebracht. Sie hätte alle Sympathien auf ihrer Seite gehabt.»
    «Das hat Pratt auch gesagt. So ähnlich jedenfalls.»
    Ein langes Schweigen, während Jury und Plant mitten auf der High Street standen und zu dem Wirtshausschild hochschauten.
    «Dann war also das Schwein schuld», sagte Melrose.
    «Und der Übeltäter ist davongekommen», sagte Jury.
    Sie drehten sich um und gingen über die Straße zum Pub zurück. Jury zog die Zeitung aus der Tasche, warf noch einen Blick darauf und ließ sie dann in den Papierkorb neben der Tür fallen.
     
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