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Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche

Titel: Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
Autoren: Peter Robinson
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Gefühl im Magen regte, als sie ihn in ihr Wohnzimmer bat. Es war immer dasselbe, trotz aller Erfahrung. Man konnte sich einfach nicht wehren gegen dieses Zerren in den Eingeweiden, gegen das plötzliche Mitleid, das sich im Gefolge der beschönigenden Erklärungen, der nutzlosen Trostworte und der leeren Gesten einstellte. Banks hatte immer das Gefühl, einen Schatten über sich zu haben, der ihm sagte: Es könnte deine Frau sein, es könnte jemand sein, der von deiner Tochter spricht. Ähnlich erging es ihm beim ersten Blick auf das Opfer eines Mordes. Der gewaltsame Tod und dessen langwierige Aufarbeitung waren ihm nie zur Routine geworden, sondern ein Gegenstand des Abscheus geblieben, eine Mahnung an die sinnlose Grausamkeit, zu der der Mensch fähig war.
      Abgesehen von der allgemeinen Unordnung - einem Haufen Zeitschriften auf einem flachen Tisch, dem achtlos auf einen Stuhl geworfenen Strickzeug und dem Sammelsurium von Schallplatten und leeren Hüllen neben der Stereoanlage - war das Zimmer auffallend sauber. Draußen vor den Sprossenfenstern sah man die roten und gelben Blütenköpfe der Rosen, und durch die fleckenlos geputzten Scheiben strömte das Sonnenlicht herein. Über einem großen offenen Kamin hing eine Landschaftsidylle des Swainsdale, wie es vor über hundert Jahren ausgesehen haben mochte. Es hatte sich nicht allzu viel geändert inzwischen, trotzdem wirkten seine Farben auf dem Gemälde irgendwie üppiger und strahlender und die Konturen klarer und plastischer.
      «Worum geht's?» fragte Mrs. Steadman und schob Banks einen der Sessel zurecht. «Hat es einen Unfall gegeben? Ist irgendwas passiert?»
      Während er die schlechten Nachrichten übermittelte, wechselte ihr Gesichtsausdruck in rascher Folge von ungläubigem Erstaunen zu plötzlichem Schock, bis sie schließlich still zu weinen begann, ohne auch nur den leisesten Schluchzer von sich zu geben. Sie starrte einfach nur mit leerem Blick geradeaus, während die Tränen lautlos über ihre fahlen Wangen flossen und auf die zerdrückte Strickjacke tropften. Als ob sie Zwiebeln geschnitten hätte, dachte Banks, einigermaßen beunruhigt von der absoluten Stille.
      «Mrs. Steadman?» sagte er leise und legte seine Hand auf ihren Arm. «Ich fürchte, ich werde Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen müssen.»
      Sie wandte ihm den Blick zu, nickte dann und trocknete sich die Augen mit einem zerknitterten Kleenextuch. «Ja, natürlich.»
      «Warum haben Sie Ihren Mann nicht als vermißt gemeldet, Mrs. Steadman?»
      «Als vermißt?» Sie runzelte die Stirn. «Warum sollte ich?»
      Einigermaßen überrascht, wiederholte Banks mit freundlichem Nachdruck: «Ich fürchte, Sie werden mir das schon erklären müssen. Er kann vergangene Nacht unmöglich zu Hause gewesen sein. Waren Sie da nicht beunruhigt? Haben Sie sich nicht gewundert, wo er bleibt?»
      «Ah, ich verstehe, was Sie meinen», antwortete sie und tupfte sich mit dem zerfledderten Papiertuch über die feuchten, geröteten Wangen. «Sie können das ja schließlich nicht wissen, stimmt's? Ich habe ihn nämlich gar nicht zurückerwartet gestern, verstehen Sie? Er ist gleich nach sieben gegangen und hat gesagt, er schaut noch auf einen Sprung ins Bridge - das macht er öfter - und fährt dann weiter nach York. Er hatte dort zu arbeiten heute und wollte möglichst früh anfangen.»
      «Kam das häufiger vor?»
      «Ja, ziemlich oft. Manchmal bin ich mitgefahren, aber das Wetter hat mir gestern ein bißchen zu schaffen gemacht - eine Sommergrippe, nehm ich an -, und außerdem weiß ich, daß sie mehr geschafft kriegen, wenn ich nicht dabei bin. Wie auch immer, ich hab mich vor den Fernseher gesetzt - mit Mrs. Stanton, meiner Nachbarin - und ihn fahren lassen. Er übernachtet immer bei seinem Verleger. Das heißt, es ist eigentlich mehr ein Freund der Familie. Michael Ramsden.»
      «Was arbeiten die beiden denn so an einem Sonntag?»
      «Oh, das hat wenig mit dem zu tun, was Sie oder ich unter Arbeit verstehen würden. Sie schrieben an einem Buch. Harry vor allem, aber Michael war sehr daran interessiert und half ihm dabei. Es ging um die hiesige Geschichte, das war Harrys Fach. Sie mußten sich all die Ruinen ansehen - römische Festungen, verlassene Bleiminen und so was alles.»
      «Ich verstehe. War es denn üblich, daß Ihr Mann schon am Vorabend aufbrach und bei Mr. Ramsden übernachtete?»
      «Ja. Wie ich schon sagte, es war eigentlich mehr eine
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