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Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer
Autoren: Gabriella Engelmann
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Diesmal hatte sie ihre geliebte Katze Kitty nach einer fotografischen Vorlage gemalt.
    »Toll, dass du den Mädchen aus der Nachbarschaft Zeichenunterricht gibst. Und auch deine Inselkrabben werden dir bestimmt Kraft geben, besonders jetzt, wo Patrick so in seiner Rolle als Vater aufgeht. Wie wirst du denn damit fertig?«
    Ich entschied mich für die abgemilderte Version, um uns nicht die Stimmung zu verderben.
    »Geht so. Wir haben uns eine Weile gemailt, und ich habe erstaunlicherweise festgestellt, dass er mir mehr fehlt, als ich mir bislang eingestehen wollte. In seiner letzten Mail hat er mir allerdings nur knapp mitgeteilt, dass er für ein paar Tage mit Benjamin zum Surfen fährt.«
Und vermutlich zusammen mit Simona …
    Während ich den letzten Satz laut aussprach, spürte ich, wie sich alles in mir verkrampfte.
    »So hart das jetzt klingt, Paula, aber das geht dich alles offiziell nichts mehr an. Je eher du dich von ihm und seinem neuen Leben als Vater löst, desto besser.« Verdammt, ich merkte, wie meine Augen feucht wurden, und ich platzte heraus:
    »Ich weiß, ich weiß. Um die Wahrheit zu sagen: Patrick hat vorgeschlagen, die Scheidung einzureichen.« Helen wurde mit einem Mal blass.
    »Die Scheidung?«, wiederholte sie. »Kommt das nicht jetzt ein bisschen plötzlich?«
    »Ich schätze, diese Simona ist nicht ganz unschuldig daran, dass Patrick jetzt Nägel mit Köpfen machen will.«
    »Oje, Paula, das tut mir so leid«, sagte Helen und wirkte für einen Moment ehrlich geknickt. Doch dann gewann ihr legendärer Pragmatismus wieder Oberhand: »Aber vielleicht ist das ja der richtige Schritt. Du hast ihm klargemacht, dass du dir ein neues Leben auf Sylt aufbaust, und von daher ist es sein gutes Recht, auch seins neu zu ordnen. Ich weiß, das ist schmerzlich, und ich wünschte, es wäre anders«, sagte sie und nahm mich in den Arm. Ich schloss für einen Augenblick die Augen. Helens Zuspruch richtete mich wieder auf.
    Als sie mich losließ, schaute sie auf die Uhr.
    »Also, ich will ja nicht hetzen. Aber wenn wir pünktlich sein wollen, sollten wir allmählich in die Gänge kommen. Oder wollen wir lieber hierbleiben und quatschen?«
    Ich überlegte einen Moment. Nein, ich wollte unter Menschen sein und Spaß haben. Den Trauerkloß konnte ich immer noch spielen, wenn Helen weg war!
    Helen lächelte, als ich sagte, ich wolle ausgehen.
    »Das muntert dich bestimmt auf. Außerdem habe ich Lust, mich für heute Abend richtig aufzubrezeln. Das Restaurant, das du ausgesucht hast, sieht im Internet unheimlich schnuckelig und romantisch aus. Warst du denn schon mal da?«
    »Nein, noch nicht. Aber es ist eine Empfehlung von Sönke. Wir sind dann zwar heute Abend schon wieder in Kampen, aber ich dachte, das könnte ein guter Ausgangspunkt für einen kleinen Zug über die berühmte
Whiskymeile
sein, die fehlt mir nämlich noch in meinem Repertoire.«
    Dann inspizierte ich den Inhalt meines Kleiderschranks. Wenn Helen sich schick machte, wollte ich ihr in nichts nachstehen.

    Für Sylter Verhältnisse recht spät, saßen Larissa, Olli, Helen und ich um halb neun am Tisch des Restaurants Vogelkoje in der Lister Straße, direkt am Vogelschutzgebiet. Die gedrechselten Holzmöbel mit heller Lasur, die gemütlichen Kissen und der Dielenboden verströmten eine heimelige Atmosphäre, die durch flackerndes Kerzenlicht untermalt wurde. Wir waren zwar ein zusammengewürfelter Haufen, aber es dauerte nicht lange, und wir unterhielten uns blendend. Olli und Helen beugten sich über die umfangreiche Speisekarte und fachsimpelten über das Angebot, und später tauschten Larissa und Helen sich angeregt über den Nordosten Mallorcas aus.
    Als Olli hinausging, um kurz zu telefonieren, entdeckte ich in der hinteren Ecke des Raumes plötzlich einen Mann, der mir vage bekannt vorkam. Er hielt Händchen mit einer Frau, deren Gesicht ich nicht erkennen konnte. Immer wieder starrte ich zu dem Gast hinüber. Woher kannte ich ihn nur? Als Olli wieder ins Restaurant kam, bekam der Herr gerade einen Hustenanfall und erregte somit auch Ollis Aufmerksamkeit.
    »Das ist doch dieser Finanzheini aus der Zeitung, der das Hotel am Watt bauen will, nicht wahr?«, zischte Olli mir zu. »Und soweit ich sehen konnte, ist die Dame, mit der er flirtet,
nicht
seine Frau!«
    Ich konnte kaum glauben, was Olli da sagte.
    Wenn das stimmte, dann küsste Kay Fedder gerade fremd. Meine letzten Zweifel schwanden, als die Frau sich über den Tisch beugte und ihrem
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