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Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer
Autoren: Gabriella Engelmann
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gekommen war, um mir auf dem Laptop ihre Bilder zu zeigen:
    »Nennen Sie mich gefühlsduselig und verrückt, aber ich kann mir keine andere Galeristin für meinen Start als bildende Künstlerin vorstellen als Sie, Frau Gregorius«, sagte sie und köderte mich mit ihren funkelnden Augen, dem nahezu schamlos anbiedernden Kompliment und dem frechen Lächeln. »Seit Jahren schon beobachte ich, was Sie alles auf die Beine stellen und wie sehr die Kunstbranche Ihr sicheres Gespür für die Entdeckung neuer Talente schätzt.«
    »Sie bekommen aber keine Einzelausstellung, damit das klar ist«, antwortete ich, um ihre überbordende Erwartungshaltung ein wenig zu dämpfen. Im Laufe der Jahre hatte ich häufig mit narzisstischen Künstlern zu tun gehabt, deren Ego es nur schwer verkraftete, nicht die Hauptattraktion bei einem Event zu sein. Nele Sievers sollte von Anfang an wissen, dass es in diesem Metier weitaus härter zuging als im Bereich Kinderbuchillustration.
    Und dann war es so weit: Der Kultursenator und zwei Sponsoren hielten eine Rede. Die Ausstellung umfasste die Werke von insgesamt sieben Malern und Bildhauern. Neles Arbeiten bildeten das Herzstück und stachen aufgrund ihrer Wildheit sofort hervor. Bereits zwei Stunden nach der Eröffnung hatte ich acht ihrer insgesamt zwanzig Zeichnungen und Acrylbilder an Sammler moderner Kunst verkauft.
    »Ich hab’s dir doch gesagt, das wird der absolute Knaller«, raunte Vincent mir zu und streifte mit seinen Lippen wie zufällig mein Ohr. Er war mir so nah, so gefährlich nah wie noch nie zuvor.
    Zudem sah er heute Abend besonders gut aus. Sein dunkelblondes Haar war lässig verstrubbelt, er hatte einen sexy Dreitagebart und trug ein dunkelblaues Jackett. Eine Mischung aus Champagnerduft und Vanilletabak umwehte ihn.
    »Okay, ich geb’s zu, ich war vielleicht ein bisschen zu vorsichtig, was die Einschätzung von Neles Arbeiten betrifft. Aber sie ist schließlich nicht die Einzige, die sich hier präsentiert, und ich bin erst zufrieden, wenn es für die anderen ebenfalls gut läuft«, entgegnete ich und versuchte, mich gegen die Gefühle zu wehren, die seine Gegenwart bei mir auslösten.
    Die Werke der anderen Künstler verblassten allerdings etwas neben der jungen, attraktiven Malerin, die wie ein exotischer Schmetterling von Gast zu Gast flatterte und ihre Gesprächspartner gekonnt um den Finger wickelte.
    Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, das tizianrote Haar trug sie kunstvoll aufgetürmt. Einzelne Strähnen hatten sich gelöst und kringelten sich sexy hinter den Ohren.
    Ihre katzenhaften, jadegrünen Augen schimmerten.
    Ich sah, wie beinahe alle männlichen Anwesenden im Raum sie anstarrten und fasziniert an ihren Lippen hingen.
    Auch Vincent.
    Bevor auch ich mir etwas zu essen holen konnte, machte Nele mich mit zwei sympathisch aussehenden Frauen bekannt, die sie als ihre Freundin Larissa Wagner und deren Tante Bea Hansen vorstellte. Die beiden waren extra wegen der Vernissage von Sylt nach Hamburg gekommen.
    »Ohne Lissy würde ich vermutlich heute noch auf einem Berg Schulden sitzen und versuchen, mit meinem Café über die Runden zu kommen, obwohl mir das Wasser schon längst bis zum Hals steht«, erklärte Nele und drückte Larissas Hand. »Sie war es nämlich, die mich ermutigt hat, das Risiko Künstlerin zu werden einzugehen und an mich zu glauben. Ich verdanke ihr sowohl meinen ersten Vertrag als Kinderbuchillustratorin als auch acht wunderbare Jahre auf Sylt. Eine bessere Freundin kann ich mir nicht vorstellen!«
    Larissa wurde sichtlich verlegen, Bea räusperte sich.
    Die ungefähr siebzig Jahre alte, schlanke Frau mit den kurzen, grauen Haaren und dem neugierigen Blick lächelte und knuffte Nele Sievers in die Seite.
    »Nun sei mal nicht so pathetisch und plaudere nicht immer alles gleich aus! Frau Gregorius hat heute Abend bestimmt anderes zu tun, als sich diese Geschichten anzuhören.« Doch Nele bekam nicht mehr mit, was Bea Hansen sagte, sondern ging zu Vincent, der neben dem Eingang zur Küche stand und sie zu sich winkte.
    Als ich beobachtete, wie die beiden ihre Köpfe zusammensteckten, nahm ein Gefühl von mir Besitz, das ich lange nicht mehr verspürt hatte: Es nagte, es zerrte, es flüsterte mir Gemeinheiten ins Ohr, es raubte mir die Luft zum Atmen und brannte wie Feuer. Plötzlich hörte ich mich sagen:
    »Kann ich dich kurz mal sprechen?« Ich deutete Richtung Ausgang.
    Vincent folgte mir, ohne zu zögern.
    Draußen angekommen, spürte
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