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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig
Autoren: H Nygaard
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folgenlos
bleiben.
    »Moin«, begrüßte ihn Thomsen. »Wir hätten Ihnen gern
besseres Wetter geboten, aber darauf haben wir noch keinen Einfluss.« Dann
zeigte er auf einen der knapp armdicken Bäume neben einer Hütte, an der die
blaue Holztür mit dem Rautenfenster das Auffälligste war.
    Während seiner Zeit als kommissarischer Leiter der
Husumer Kriminalpolizeistelle war Christoph dem Tod schon in vielfältiger Form
begegnet. Dieser Fall stand in der Kategorie »skurril« sicher ganz oben.
    Wie in einem schlechten Wildwestfilm war ein Mann an
den Baum gebunden. Der Kopf war auf die Brust herabgesunken, auf der blauen
Wollmütze war ein großer Schneeberg wie zu einer Zipfelmütze gewachsen. Er
erinnerte Christoph an jene Zuckerhüte, die in der Winterzeit für die
Feuerzangenbowle Verwendung finden. Das Weiß hatte sich zudem auf den
Augenbrauen und Lippen festgesetzt, auf den Schultern und den Absätzen der
Taschen am dicken Winteranorak des Mannes. Ob die Füße auch an den Baumstamm
gefesselt waren, konnte Christoph nicht erkennen. Bis zu den Knien hatte sich
der Schnee zu einer kleinen Wehe aufgetürmt. Das Außergewöhnliche aber war,
dass man dem Mann die Hose ausgezogen hatte oder zumindest so weit
herabgezogen, dass sie im Schneeberg um seine Füße verschwunden war. Vom Knie
an aufwärts waren nackte Oberschenkel zu sehen, die unter dem Anorak
verschwanden.
    »Darf ich vorstellen?«, fragte Hauptkommissar Thomsen.
»Das ist Thies Nommensen.«
    »Damit hat sich die Vermisstenanzeige erledigt«,
erwiderte Christoph.
    »Richtig. Ich fürchte, die weitere Bearbeitung liegt
nun in Ihren Händen.«
    Christoph runzelte die Stirn. »Da sich Nommensen kaum
selbst an den Baum gebunden haben dürfte, liegt Fremdverschulden vor. Das
dürfte ein Fall für das K1 aus Flensburg sein.«
    Thomsen nickte beifällig. »Die Mordkommission. Sollen
wir hier alles so lassen, bis die Kollegen von der Bezirkskriminalinspektion
eingetroffen sind?«
    Christoph sah sich um. »Wer hat den Toten entdeckt?«
    Der Zivilist, der bisher ebenso schweigend wie die
beiden Feuerwehrleute dabeigestanden hatte, hob seinen Ellenbogen ein wenig,
ohne die tief in der Tasche versenkte Hand hervorzuholen. »Ich.«
    Christoph musterte den Mann. Viel war nicht zu
erkennen. Die Kapuze seiner Jacke hatte er fest zugeschnürt. Sie saß stramm um das
Gesicht herum und gab nur ein faltenreiches Antlitz frei, aus dem zwei tief
liegende Augen Christoph ansahen. Der Mann sah müde aus. Das wurde auch noch
durch die grauen Bartstoppeln unterstrichen.
    »Ingwer Frederiksen«, erklärte Thomsen.
    »Haben Sie irgendetwas verändert?«
    »Bin ich verrückt?«, erwiderte Frederiksen. »Ich habe
Thies gesehen und bin gleich zurück.«
    »Wohin? Warum haben Sie die Polizei nicht sofort
alarmiert?«
    »Wie denn? Ich habe kein Handy. Und Telefonzellen gibt
es hier keine.«
    »Wo sind Sie hin?«
    »Zu Thönnissen. Der wohnt gleich vorn an in Boldixum.
Rechts um die Ecke, wenn Sie von hier kommen. Von da aus habe ich Hauke – äh –
Thomsen angerufen.«
    Wie zur Bestätigung nickte der Hauptkommissar.
    »Hauke hat gesagt, ich soll bei Thönnissen warten.«
    »Wir sind nach Boldixum gefahren«, mischte sich der
Föhrer Dienststellenleiter ein. »Unterwegs hatte ich die Feuerwehr alarmiert.«
    Christoph zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
    »Wir kennen das hier, wenn wir Schneesturm haben. In
null Komma nix bilden sich Schneewehen. Da bleibt man sofort stecken. Deshalb
habe ich die Kameraden gerufen. Dann sind wir her und …« Er ließ seinen Satz
unvollendet und nickte in Richtung des toten Nommensen.
    »Hat irgendjemand etwas angefasst?«, fragte Christoph
und sah sich um. Außer dem unaufgeräumt wirkenden kleinen Wald der Vogelkoje,
der verlassenen Hütte und dem Opfer war nichts zu sehen. Alles war tief
verschneit, lediglich auf dem Pfad zur Straße zeichneten sich Fußspuren ab.
Diese auszuwerten würde keinen Sinn machen, stellte Christoph resigniert fest,
als er sah, wie seine eigenen Abdrücke vom Schneefall verdeckt wurden.
    »Was ist mit den Knien des Opfers?«, fragte Christoph
mehr zu sich selbst. Sie waren dunkel, fast schwarz. Es sah aus, als hätte sich
dort eine Blutkruste gebildet.
    Thomsen kniff die Augen zusammen. Dann zuckte er die
Schultern. »Keine Ahnung. Sieht aus, als wäre er draufgefallen.«
    »Wie ist der Boden hier? Gibt es Steine? Pflaster?
Betonplatten?«
    Frederiksen schüttelte den Kopf. »Nix da. Nur der Weg.
Das ist
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