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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig
Autoren: H Nygaard
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weiße
Hauben, und im dichten Gestöber war das gegenüberliegende Gebäude, das als
»Pfannkuchenhaus« firmierte, kaum noch zu erkennen.
    Von ihrem Appartement, das der Gastgeber als Suite
bezeichnete, hatten sie durchs Freie die ineinander verschachtelten Häuser des
Komplexes passieren müssen, um zum Frühstücksraum am anderen Ende des Areals zu
gelangen.
    »Nun erzähle mir bitte nicht, in diesem Landstrich
muss man mit der Natur und dem Wetter leben«, beklagte sich Anna.
    Christoph lachte. »Hier wirst du umsorgt, das
Frühstück wird serviert, und du musst dich um nichts kümmern.«
    Zumindest zeigte sich eine Spur Heiterkeit, die Annas
Lippen umspielte. »Sooo?«, fragte sie betont spitz. »Das hätte ich zu Hause
auch gehabt. Da hättest du das Frühstück zubereitet.« Sie sah Christoph an und
nickte ihm zu, als er ihr Kaffee in die Tasse goss. Dann sah er auf die Uhr und
holte den Teebeutel aus seiner Kanne, den er exakt drei Minuten hatte ziehen
lassen.
    »Darf ich dir etwas mitbringen?«, fragte er und schob
seinen Stuhl zurück.
    »Danke. Ich suche mir selbst etwas aus«, erwiderte
Anna.
    Christoph ging zum Frühstücksbüfett, suchte zwei
Brötchen aus und stellte sich die Beilagen zusammen, als er hinter sich einen
Schatten gewahrte. Er wollte zur Seite treten, um dem anderen Gast Zutritt zum
Büfett zu gewähren, als er eine gespreizte Hand auf seinem Gesäß verspürte.
    Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Das gefällt
mir schon besser als das Nörgeln über das Wetter, das wir ohnehin nicht
beeinflussen können.«
    »Ich habe nicht über das Wetter genörgelt«, erwiderte
eine tiefe, ihm fremde Frauenstimme.
    Erschrocken drehte sich Christoph um und sah in ein
vergnügt lächelndes Frauengesicht. Zwei Augen, die durch einen kräftigen
türkisfarbenen Lidstrich betont wurden, musterten ihn. Die dünnen Augenbrauen,
die auch durch kräftige Schminke nicht retuschierbaren Falten, die fleischige
Nase und der grellrote Mund wirkten fast ein wenig aufdringlich. Auch die
blonden, stramm nach hinten zu einem Dutt geknoteten Haare machten die Frau
nicht jünger, als es das schwere Doppelkinn zuließ. Auf dem mächtigen Busen lag
eine etwas altertümlich wirkende Kette aus mattem Gold.
    Die Frau zeigte mit ihrer faltigen Hand auf einen
Tisch im Frühstücksraum, an dem eine andere ältere Dame saß und feixend das
kleine Zwischenspiel verfolgte.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Christophs Gegenüber, »aber
ich habe mit meiner Bekannten gewettet. Man traut uns alten Weibern so was ja
nicht mehr zu. Ihnen verdanke ich für den Rest unseres Urlaubs auf Föhr jeden
Nachmittag eine Einladung zum Kaffee. Anneliese hat nicht geglaubt, dass ich es
wage.« Die Frau, Christoph schätzte sie trotz aller kosmetischen Anstrengungen
auf über siebzig, zwinkerte ihm zu und wisperte fast konspirativ: »Nun glauben
Sie nicht, dass ich es bereue. Ich wollte das schon lange tun. Und wenn ich
Ihren –Verzeihung – Knackarsch die letzten Tage gesehen habe, ist mir doch
mancher Seufzer entfleucht, dass die Jahre unumkehrbar vergangen sind.«
    Christoph lächelte, nahm die Frau vorsichtig in seinen
linken Arm, lehnte seine Wange gegen ihre und deutete den Hauch eines Kusses
an. »Golfküsschen« nannte man das, meinte er einmal gehört zu haben.
    »Wenn ich nicht mit meiner besseren Hälfte unterwegs
wäre, gnädige Frau, könnte ich bei so viel Charme sicher schwach werden«,
säuselte er.
    »Ach«, stöhnte die alte Dame gekünstelt auf, »wie lange ist es her, dass mich ein Mann auf so schöne Weise belogen hat.« Dann sah
sie in Annas Richtung, die das Zwischenspiel aus zusammengekniffenen Augen
verfolgt hatte. Christoph konnte in Annas Mienenspiel die ganze Ratlosigkeit
über das Geschehen erkennen.
    »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag – und
genießen Sie Ihren Nachmittagskaffee«, sagte er, füllte seinen Teller auf und
kehrte an seinen Tisch zurück.
    »Was war das denn?«, fragte Anna.
    Christoph schmunzelte. Das Alter der vergnügten Dame
war ebenso wenig zu übersehen wie ihre Leibesfülle. Trotzdem war es Anna nicht
gelungen, die winzige Spur Eifersucht in ihrer Stimme zu unterdrücken.
    Christoph berichtete ihr von dem kleinen Dialog am
Büfett.
    Anna warf der alten Dame einen unwirschen Blick zu.
»Die spinnt nicht nur, die lügt auch. So wie die aussieht, bei der Figur,
grapscht die ständig irgendwelchen Männern an den Hintern. Die futtert doch den
ganzen Tag Sahnetorte. Und wenn das alles
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