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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig
Autoren: H Nygaard
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die ›Nordfriesland‹.«
    Christoph scherte aus der überschaubaren Warteschlange
aus, wendete und fuhr langsam um das Hafenbecken herum, um Thomsen zum
Polizeigebäude zu folgen, das auf der gegenüberliegenden Seite lag. Jetzt
konnte man es allerdings nicht einmal erahnen, so dicht war das Schneetreiben.
Auf der Fahrbahn hatte sich in kürzester Zeit ein weißer Belag gebildet, und
Anna entfuhr ein erschrecktes »Huch!«, als Christoph das Gaspedal nur ein wenig
zu viel antippte und der Wagen ein kleines Stück zur Seite wegrutschte.
    »Bei den Kollegen bekommst du sicher einen heißen Kaffee«,
versuchte Christoph sie zu trösten und täschelte ihre Wange.
    »Halt bei diesem Wetter die Hände am Steuer«, sagte
sie, neigte aber trotzdem ihren Kopf und klemmte seine Hand zwischen Kopf und
Schulter ein. »Und mit einem Beamtenkaffee lasse ich mich nicht bestechen«,
fügte sie hinzu.
    Wenig später hielten sie vor dem schmucklosen Gebäude
aus landestypischen roten Backsteinen. Die Polizeizentralstation war am
Hafendeich untergebracht, direkt am Wasser und außendeichs. Bei Hochwasser lag
das Dienstgebäude im ungeschützten Bereich. Deshalb befanden sich zu ebener
Erde keine Fenster, sondern eine Treppe aus nacktem Sichtbeton führte in das
Obergeschoss. Christoph nickte in Richtung des Amtsschildes am Haus, auf dem
nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Friesisch zu lesen war, dass hier die
Polizei residierte. »Die Zweisprachigkeit an Amtsgebäuden, Bahnhöfen und
Ortsschildern gibt es nur in Nordfriesland«, erklärte Christoph gegen den
Schneesturm. Er war sich nicht sicher, ob Anna es überhaupt gehört hatte. Wenn
nicht der Wind seine Worte davongetragen hatte, dann konzentrierten sich Annas
Gedanken nur auf einen heißen Kaffee.
    Doch sie küsste ihn auf die Wange, bevor sie sagte: Nun höre auf, so belehrend zu sein. Natürlich weiß ich das. Schließlich lebe
ich schon länger in Nordfriesland als du Kieler Sprotte.«
    »Schön, dass Sie noch einen Blick auf die
Angelegenheit werfen«, empfing sie Hauptkommissar Thomsen und berichtete von
dem Fall, nachdem er heiße Getränke für seine Gäste beschafft hatte.

ZWEI
    Hauptkommissar Thomsens Bitte um Unterstützung hatte
Christophs Pläne durcheinandergeworfen. Sie hatten am Vortag die letzte Fähre
verpasst und noch eine weitere Nacht auf Föhr zugebracht.
    Der Raum war gemütlich eingerichtet. Kleine Tische mit
akkurat ausgerichteten Decken und liebevollem Tischschmuck verliehen ihm das
rechte Maß an Heimeligkeit, ohne spießig zu wirken. Lediglich die zahlreichen
Accessoires an den Wänden, auf der Fensterbank und an weiteren sich bietenden
Abstellmöglichkeiten, die auf eine ausgeprägte Vorliebe für Afrika schließen
ließen, lenkten davon ab, dass man sich im Frühstücksraum eines Gästehauses auf
Föhr befand.
    Thomsens Erläuterungen hatten zu keinen weiteren
Erkenntnissen geführt. Der »Inselkönig« war als vermisst gemeldet worden. Zum
Zeitpunkt der Anzeige durch seine Ehefrau war er noch keine vierundzwanzig
Stunden abgängig, wie es etwas umständlich heißt. Christoph hielt die Aufregung
für übertrieben, auch wenn es sich um einen Mitbürger handelte, der offenbar
intensiver im Fokus der Öffentlichkeit stand als andere. Thies Nommensen, so
hatte Hauptkommissar Thomsen einräumen müssen, war kein Kind von Traurigkeit.
Es war nicht auszuschließen, dass er sich irgendwo auf der Insel vergnügte und eine
darüber erboste Ehefrau ihm mit einem Hauch von Boshaftigkeit die Polizei
hinterherschickte.
    Christoph war unschlüssig, ob er das Verpassen der
letzten Fähre als unerfreulich betrachten oder den zusätzlich gewonnenen Abend
auf Föhr als Geschenk sehen sollte. Zumindest hatte sich der gestrige Abend von
den anderen Tagen auf der Insel unterschieden, da der Gang vom Gästehaus am
Ende der Gmelinstraße bis ins Stadtzentrum für die unwirtlichen
Witterungsverhältnisse recht weit gewesen war. Der Schnee war ununterbrochen
weiter vom Himmel gefallen, und der kräftige Wind hatte dazu beigetragen, dass
der Besuch des Restaurants im Vorhinein getrübt gewesen war.
    »Heute trauen sich so wenig Menschen auf die Straße,
da freut sich der Gastronom über jeden einzelnen Gast und schenkt ihm seine
besondere Aufmerksamkeit«, hatte Christoph gesagt, war damit aber auf wenig
Verständnis bei Anna gestoßen.
    Es hatte die ganze Nacht geschneit. Eine dichte weiße
Schicht hatte sich über die Straße gelegt, die Bäume trugen bizarre
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