Insel meiner Sehnsucht Roman
bei Tagesanbruch erwachte, sah er dasselbe Gesicht, das ihn in seinen Träumen verfolgt hatte.
Nein, das half ihm kein bisschen.
Sobald er in Southwark von Bord gegangen war, fuhr er zum Carlton House. Eigentlich hatte er geplant, zuerst seine Residenz aufzusuchen. Aber nachdem er zehn Tage lang mit seinem Seelenleid gekämpft hatte, befand er sich in einer miserablen Stimmung, die er seinen treuen Dienstboten nicht zumuten wollte. Immerhin gehörten sie zu den wenigen Bewohnern der Hauptstadt, die er respektierte. Der Prinzregent würde sich sicher nicht in Brighton aufhalten, wo er um diese Jahreszeit normalerweise weilte, sondern in London – angesichts der martialischen Probleme seines Königsreichs, das an zwei Fronten kämpfen musste.
Wie Royce feststellte, hatte sich die Stadt während seiner Abwesenheit nicht verändert – ein Gemisch aus Alt und Neu, Eleganz und Verfall. Trotzdem erschien sie ihm anders, von dichterem Gedränge erfüllt, chaotischer und schmutziger als in seiner Erinnerung. Doch das lag vielleicht an dem Bild von Ilius, das seine Fantasie immer noch beherrschte. Und sein Herz.
Prinny ließ sich gerade von seinen Hofschneidern eine neue Weste aus Satin anpassen. Inmitten einer lebhaften Diskussion über goldene Borten, die er silbernen vorzog, entdeckte er Royce. »Endlich, Hawkforte! Verdammt, Mann, es tut mir wirklich gut, Sie wiederzusehen!«
Nur die gewohnte Loyalität, die Royces Vorfahren im Lauf der Jahrhundert entwickelt hatten, hinderte ihn an einer sarkastischen Antwort. »Danke, Hoheit. Ich hoffe, Sie sind wohlauf?«
»Halbwegs. Zumindest fühle ich mich neuerdings etwas besser. Der Krieg ist eine wunderbare Medizin. Finden Sie nicht auch?«
Diese Meinung teilte Royce mitnichten, hütete sich jedoch, das auszusprechen. Hastig entfernten ein paar Dienstboten einen Berg von Kleidungsstücken, die auf die Anprobe warteten, und Prinny entließ die Schneider. Dann befahl er einem Lakaien, Brandy einzuschenken. Royce prostete ihm zu, wie es die Etikette verlangte. Aber er führte das Glas nur an die Lippen, ohne zu trinken.
»Waren Sie tatsächlich auf Akora?«, fragte der Prinzregent, kaum fähig, seine Aufregung zu verbergen. »Haben Sie es gesehen?«
»Ja, Sire, ein wunderbares Land, genauso, wie wir es uns vorgestellt haben – ein echtes, kämpferisches Königreich.«
»Und wie ist der Vanax?«
»Natürlich fehlt ihm Ihre Kultur, Hoheit«, erwiderte Royce und bat den Allmächtigen, er möge ihm die krasse Lüge verzeihen, die einem guten Zweck diente.
Prinny plusterte sich auf. »Was man ihm nicht verübeln darf – und ich habe auch gar nichts anderes erwartet. Was können Sie mir sonst noch erzählen?«
Nicht, dass Atreus beinahe ermordet worden wäre und sich immer noch von den Folgen des Anschlags erholte – niemals …
»Er ist der geborene Krieger, Sire, und ein Anführer von Kriegern. Aber er ist auch hochintelligent, und er hat eine wichtige Erkenntnis gewonnen – Akora sollte nicht länger isoliert bleiben.«
»Exzellent! Genau das hatte ich erhofft. Mit diesem Mann lässt es sich zusammenarbeiten, nicht wahr?«
»Oh ja, Sire«, bestätigte Royce, »und ich bin beauftragt, Ihnen eine Botschaft des Vanax zu überbringen. Er möchte England besuchen.«
Mit keiner anderen Nachricht hätte er Prinny eine größere Freude bereiten können. Sobald es Einladungen zu organisieren gab, war der britische Herrscher ganz in seinem Element. Sein einfallsreicher Verstand, trotz der jahrelangen Ausschweifungen immer noch scharf und hellwach, begann sofort, die Bälle, Musikabende, Empfänge, Maskeraden und all die anderen Ereignisse zu planen, die es brauchte, um einen so ranghohen Staatsgast wie den Vanax von Akora zu amüsieren. »Oh, wir empfangen ihn nur zu gern. Leiten Sie alles Weitere in die Wege, Royce. Was für ein tüchtiger Mann Sie sind! Aber das wusste ich – auf einen Hawkforte ist stets Verlass.«
»Sire, Sie sind viel zu freundlich.«
»O nein, keineswegs! Und nun sagen Sie doch – wie geht es der schönen Prinzessin Kassandra?«
Unmerklich zuckte Royce zusammen und betrachtete seinen Brandy. Dann stellte er das Glas beiseite. »Gut, nehme ich an.«
»Was die Frauen betrifft, sollte man niemals irgendwas annehmen.« Der Prinzregent sprach aus leidvoller Erfahrung. »Davor muss ich Sie eindringlich warnen.«
»Zweifellos haben Sie Recht, Hoheit.«
»Also, ich bin verdammt froh, dass Sie wieder da sind, Hawkforte. Mit dem guten alten England
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