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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman
Autoren: Colleen McCullough
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vielleicht keine Schlacht, aber das müssen sie ja auch gar nicht, Dick. Sie müssen nur durchhalten . Weil sie im eigenen Land kämpfen, nicht in England.« Jem fasste in die linke Tasche seines Mantels. Heraus kam die schwere Pistole und landete polternd auf dem Tisch. Die anderen Gäste schrien entsetzt auf - und Richard, der seinen kleinen Sohn auf dem Schoß hielt, schob die Mündung blitzschnell zur Seite. Die Pistole war, wie jedermann wusste, geladen. Ohne die Bestürzung wahrzunehmen, die er verursacht hatte, wühlte Mr Thistlethwaite in den Tiefen seiner Tasche und zog schließlich einen Stoß zusammengefalteter Zeitungen heraus. Nacheinander blätterte er sie durch. Seine blassblauen, blutunterlaufenen Augen erschienen durch die Brille vergrößert, seine dunkel gelockten Haare hatten sich aus dem Band gelöst, mit dem er sie achtlos zurückgebunden hatte. Denn Mr James Thistlethwaite trug weder Perücke noch Zopf.
    »Aha!«, rief er schließlich und schwenkte ein Nachrichtenblatt aus London. »Vor siebeneinhalb Monaten, meine Damen und Herren hier im Cooper’s Arms, fand eine Debatte im Oberhaus statt, bei der der große alte William Pitt eine Rede hielt, die als seine bedeutendste gilt. Er verteidigte die Kolonisten, die er …, ja, hier steht’s, ›loyale und ehrbare Menschen‹ nannte. Aber es sind
nicht seine Worte, die ich zitieren will.« Mr Thistlethwaite schenkte Richard einen freundlichen Blick, der schützend die Arme um seinen Sohn gelegt hatte. Richard war immer noch über die geladene Pistole empört. »Es sind die Worte des Herzogs von Richmond, die mich begeistern. Ich zitiere: ›Sie können Tod und Elend verbreiten, aber das hat mit Regieren nichts zu tun!‹ Wie wahr, wie grundwahr! Und jetzt kommt eine Stelle, die ich für eine große philosophische Wahrheit halte, obwohl die Lords schnarchten, als der Herzog sie vortrug. ›Kein Volk kann dazu gezwungen werden, sich einer Staatsform zu unterwerfen, die es nicht haben will.‹«
    Jem sah sich um und nickte. »Deshalb sage ich , dass alle Schlachten, die wir gewinnen, nichts nützen und am Ausgang des Krieges nichts ändern werden. Wenn die Kolonisten durchhalten, müssen sie gewinnen.« Er faltete das Blatt zusammen und schob es mit den anderen Papieren in die Manteltasche zurück. Zuletzt stopfte er noch die Sattelpistole hinein. »Du hast zu viel mit Pistolen zu tun, Richard, das ist dein Problem. Das Kind war nicht in Gefahr, und auch niemand sonst.« Ein Rülpser stieg in seiner Kehle auf und entwich durch die geschürzten Lippen. »Ich habe mein ganzes Leben in diesem stinkenden Loch namens Bristol verbracht und dabei wenigstens für etwas Unterhaltung gesorgt, indem ich einige der schlimmsten Torys der Regierung zum Gegenstand meiner Satiren gemacht habe, egal ob Shaker, Quäker oder Verräter.« Er kicherte und kam auf ein anderes seiner Lieblingsthemen zu sprechen. »Ja, die Scheinheiligkeit! Du schrecklichschönes Ungeheuer Scheinheiligkeit, Muse der Nonkonformisten, von denen es in Bristol so viele gibt!«
    »Jem«, sagte der Wirt freundlich, »hör auf. Es mag in Bristol genauso viele Nonkonformisten wie Mitglieder der anglikanischen Kirche geben, aber im Wirtshaus wirst du nur wenige finden, also spar dir deine bissigen Bemerkungen.«
    »Wie wahr, wie grundwahr.« Mr James Thistlethwaite schwenkte seinen ramponierten Dreispitz in die Richtung der Zuhörer und schloss die Augen. »Wenn die Kolonisten durchhalten, müssen sie gewinnen«, wiederholte er. »Jeder, der hier in Bristol lebt, kennt tausend
Kolonisten - sie huschen durch die Stadt wie Fledermäuse im letzten Tageslicht. Das ist das Ende des Empires, Dick! Das erste Röcheln in unseren englischen Kehlen. Ich kenne die Kolonisten, und ich sage: Sie werden gewinnen.«
    Erregtes Stimmengewirr drang von draußen herein, und die verzerrten Schatten der Passanten vor den Fenstern begannen plötzlich zu rennen.
    »Aufrührer!« Richard sprang auf und drückte seiner Frau das Kind in die Arme. »Peg, geh mit William Henry nach oben! Mama, du begleitest sie.« Er sah Mr Thistlethwaite an. »Jem, willst du beidhändig schießen oder kann ich die zweite Pistole haben?«
    »Immer mit der Ruhe!« Dick kam hinter dem Schanktisch hervor. Er hatte eine ähnliche Statur wie Richard - größer als die meisten und kräftig. »In diesem Teil der Broad Street gibt es keine Aufrührer, selbst wenn die Bergleute aus Kingswood in die Stadt kämen und sich den alten Brickdale schnappten.
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