Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
Vom Netzwerk:
war früh am Morgen, und die Sonne brach nur selten durch die dahinjagenden Wolken. Möwen schrien, und der Wind drang wie ein scharfes Messer durch seinen Mantel und die Stiefel. Die Segel der Atlantica blähten sich, und die Takelage ächzte.
    Seit Tagen waren keine Wale gesichtet worden, und da sie bereits einige Fässer voll Tran und gepökeltem Fleisch im Frachtraum hatten, darüber hinaus Fischbein für Hunderte von Korsetts, erwog der amerikanische Kapitän Samuel Varney, nach Sydney Cove zurückzukehren. Sie waren seit sechs Monaten auf See, und die Mannschaft wurde allmählich unruhig.
    Die Atlantica war ein hochseetüchtiger Walfänger aus Nantucket, Massachusetts, anders als die kleineren Walfänger, die nur für eine kurze Saison in Küstennähe arbeiteten. Sie war für die wilden Ozeane vor Van Diemen’s Land und Neuseeland geschaffen, wo die Besatzung damit rechnen konnte, monatelang fern von jeglicher Zivilisation zu sein. Sie war gut ausgerüstet, hatte drei Masten, einen stämmigen Bug, ein eckiges Heck und sieben Beiboote, die über dem Schanzkleid hingen. Hinter dem Hauptmast stand eine hässliche Backsteinanlage mit Kesseln, die angeheizt würden, um den Tran vom nächsten Fang zu kochen. Der Kapitän und seine Offiziere waren achtern untergebracht, den Harpunieren Kojen im Zwischendeck zugeteilt. Der Rest der Mannschaft schlief vorn,mittschiffs befand sich die Luke in den großen Schiffsrumpf, in dem die Fracht und Vorräte sowie zweitausend Fuß Ersatztauwerk aufbewahrt wurden.
    George verzog das Gesicht, Graupel und eiskalte Gischt durchnässten ihn, doch er schaute unentwegt durch sein Teleskop und suchte nach der legendären Fontäne oder der Schwanzflosse, die das Signal zur Jagd setzen würde. In diesen Gewässern wimmelte es um diese Jahreszeit für gewöhnlich von Nordwalen, und jeder Fang brachte eine Zulage.
    Fast eine Stunde später wurde der Ruf laut: »Backbord! Wale in Sicht!«
    George drehte sich rasch um und stellte sein Teleskop scharf. Sein Herz raste, sein Mund trocknete aus, als er die unverwechselbaren Schwanzflossen einiger schwarzer Wale einfing. Die Jagd stand kurz bevor – jetzt wurde es spannend.
    Kapitän Varney erteilte vom Achterdeck aus Befehle mit einer dröhnenden Stimme, die selbst den Wind übertönte. Er drehte das Steuerrad, um den schwerfälligen Bug nach Backbord zu wenden. Matrosen rappelten sich auf, um Segel und Takelage anzupassen, und George schloss sich dem Sturm auf die Beiboote an.
    Sie waren fast zehn Meter lang und liefen zu beiden Enden spitz zu, so dass Bug und Heck hoch über dem Wasser lagen. In jedem Boot waren zweihundert Faden Manilatauwerk aufgerollt, und die zwanzig Kerben in den Heckpollern markierten die Anzahl der Wale, die in den vergangenen sechs Jahren gefangen worden waren. Samuel Varney bevorzugte eine fünfköpfige Mannschaft in jedem Boot, so dass die Ruder an beiden Seiten gleichmäßig besetzt waren, wenn der Harpunier seinen Platz verließ. Die sechste Ruderbank im Bug war so ausgehöhlt worden, dass der Harpunier mit den Oberschenkeln Halt fand, wenn er seinen Speer mit den Widerhaken abschoss.
    George kletterte ins erste Boot, das bereits zu Wasser gelassen wurde. Er fuhr seit drei Jahren mit Samuel Varney und war inzwischen ein erfahrener Walbootsvormann. Als er seinen Platz am Heck einnahm und das schwere Ruder packte, dessen Schaft mindestens fünfundzwanzig Fuß maß, überlief ihn das vertraute Prickeln. Das Rennen war eröffnet. Wer würde diesmal der Erste sein, der einen Wal harpunierte?
    Sie hatten ihr Einersegel gehisst, das den Wind einfing, und die Männer legten sich in die Riemen, angefeuert von George, der sie mit allen Flüchen, die er kannte, zu noch größerer Eile antrieb und dabei den nächsten der wendigen Riesen ansteuerte. Die anderen Steuermänner waren ebenso vehement, und ihre Rufe überdeckten das Rauschen des Meeres. Der Wettlauf um die Beute hatte begonnen.
    Georges Boot lag um wenige Zentimeter vorn. Sie waren jetzt nah dran – so nah, dass das große Tier mit einem Schlag seiner Schwanzflosse das Boot zerteilen konnte. So nah, dass sie sein Auge sahen und die Turbulenzen im Wasser spürten. Sie näherten sich mit dem Bug voran der windabgewandten Seite des Wals und fühlten, wie er auf- und abtauchte. Ein leichter Schlag mit den Flossen, und sie wären verloren.
    »Mach dich bereit!«, rief George dem Harpunier zu.
    Der Mann zog auf der Stelle sein Ruder ein und klemmte sich an den Bug, hob
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher