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Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
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zügelte sein Pferd, damit es stehen blieb, und sprang aus dem Sattel. Er wartete, bis die anderen bei ihm waren. »Ihr wisst, was zu tun ist?« Seine Stimme war leiser als ein Flüstern.
    Sie nickten. Vor wenigen Tagen hatten sie alles bis ins Detail geplant, und sie wussten, dass man ihnen bei jeder gefangenen Frau freie Hand ließ.
    »Ladet eure Musketen«, befahl Edward, »und denkt daran: Es darf keine Überlebenden geben!«
    »Was ist mit den Kindern und den Weibern?«
    Edward betrachtete den neuen Rekruten – ein dünner, junger Kavallerist mit hellen Augen, einem unehrenhaften Führungszeugnis und dem Hang zu Eingeborenenfrauen. Mit grimmiger Miene und kalten Augen untermauerte Edward seine Autorität. »Schwarze Frauen kriegen Kinder, und die wachsen auf, um sich wieder zu vermehren. Es geht mich nichts an, was ihr macht oder wie ihr es macht, aber ich will, dass heute Abend keiner übrig bleibt.« Er funkelte den Kavalleristen an und war befriedigt, als er Angst in dessen Blick wahrnahm.
    Das bleiche Gesicht des Jungen färbte sich rot.
    Edward wandte sich an Willy Baines. »Wir erkunden zuerst«, murmelte er, »nur um sicher zu gehen, dass sie noch da sind.«
    Willy kratzte sich die Kinnstoppeln. Keiner von ihnen hatte sich in den letzten vier Tagen gewaschen oder rasiert, denn die Nase eines Eingeborenen witterte den Geruch von Seife oder Pomade meilenweit. »Das ist sehr wahrscheinlich«, erklärte er. »Nach Aussage meiner Spione kommen sie schon seit Jahrhunderten hierher.«
    »Du und deine Spione, Willy! Wie kriegst du die Myalls nur dazu, dir so viel zu erzählen?«
    Willy schüttelte den Kopf, während sie sich von den anderen entfernten. »In unseren Augen sehen sie zwar alle schwarz aus, und ich kann sie, verdammt noch mal, nicht auseinanderhalten, aber es gibt Stammesunterschiede, und für eine Flasche Rum oder ein bisschen Tabak erzählt ein guter Mann alles, was er weiß.«
    Edward legte seinem Begleiter eine Hand auf die Schulter. »Du bist mir ein Rätsel, Willy, und nur ein toter Myall ist ein guter Myall. Komm, lass uns nachsehen, was wir hier haben!«
    Sie ließen die anderen zurück, die ihre Musketen luden, und suchten sich vorsichtig einen Weg durch das Unterholz am Ufer. Der Fluss war seicht und gewunden, das Schilf und die überhängenden Bäume boten in dieser mondlosen Nacht eine perfekte Deckung. Die beiden Männer lagen auf dem Bauch und hoben den Kopf vorsichtig über das hohe Gras, während sie das schlafende Lager betrachteten.
    Die Stammeskrieger, unverheiratete junge Männer, bildeten in lockerer Formation eine schützende Phalanx um die Frauen, Kinder und älteren Männer. Die meisten schliefen auf dem Boden, doch es gab auch drei oder vier gunyahs, Unterstände aus Gras und Eukalyptus, in denen die Ältesten ruhten. Hunde rührten sich, um sich zu kratzen, von heruntergebrannten Lagerfeuern stiegen kleine Rauchschwaden auf, alte Männer husteten Schleim, Säuglinge wimmerten. Grinsend nahm Edward den Anblick in sich auf. Die Turrbal hatten keine Ahnung, was ihnen bevorstand.
    Lowitja fuhr aus dem Schlaf auf und zog instinktiv ihren fünfjährigen Enkel näher zu sich. Irgendetwas war in ihre Träume eingedrungen, und als sie die Augen aufschlug, vernahm sie den klagenden Schrei eines Brachvogels. Es war der Ruf der Totengeister – der durchdringende, quälende Ton gepeinigter Seelen, eine Warnung vor Gefahr.
    Mandawuy strampelte in der festen Umarmung seiner Großmutter und hätte aufgeschrien, wenn sie ihm nicht die Hand über den Mund gelegt hätte.
    »Still!«, befahl sie mit der leisen Bestimmtheit, der er auf der Stelle zu gehorchen gelernt hatte.
    Er setzte sich ruhig und unerschrocken auf. Die bernsteinfarbenen Augen seiner Großmutter waren starr auf den Rand des Lagers gerichtet. Was konnte sie sehen?, fragte er sich. Waren Geister auf der Lichtung? Konnte sie Stimmen hören – und wenn ja, was sagten sie ihr?
    Lowitja lauschte dem Schrei der Brachvögel. Es waren jetzt viel mehr geworden, als versammelten sich die Geister der Toten, als vereinten sich ihre Stimmen zu einem qualvollen Wehklagen, das ihr Herz durchbohrte. Dann nahm sie im Grau der Morgendämmerung gespenstische Umrisse wahr, die sich zwischen den Bäumen hindurchwanden. Sie wusste, wer sie waren und warum sie gekommen waren.
    Sie mussten sich beeilen: Das Lager rührte sich. Edward und Willy verschwanden in den dunkleren Schatten und kehrten zu den wartenden Männern zurück. Diese standen mit
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