Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Innswich Horror (German Edition)

Innswich Horror (German Edition)

Titel: Innswich Horror (German Edition)
Autoren: Edward Lee
Vom Netzwerk:
eiskalte Gewissheit hereinzulassen: Der alte Irre putschte sich hoch für einen Zusammenstoß, den er mit seiner klapprigen Statur nur verlieren konnte.
    »Du willst Selbstmord begehen«, murmelte ich im Versuch, den Nebel der Müdigkeit um meinen Schädel zu vertreiben. »Schön, aber mag dich nicht auf dem Gewissen haben.«
    Sein Gesicht wurde durch ein breites Grinsen gespalten; eine Grimasse, bei der es sich um eine optische Täuschung handeln musste. So rasch die Entfernung schwand, zogen sich die schummrigen Ränder meines Gesichtskreises zusammen, und ich erfasste die Welt – die wirkliche Welt – vor der Windschutzscheibe gestochen scharf. Der alte Mann wirkte in diesem bizarren Helldunkelgemälde seltsam glückselig, obwohl seine Beine gegen den Kühlergrill krachen würden, ehe sein Körper wie eine Gliederpuppe durch die Luft wirbeln und er seinem Schöpfer entgegentreten würde.
    Als sich unsere Blicke begegneten, kam die entsetzliche Erkenntnis: Ich war der Mörder, er das Opfer. Ich wollte mir einreden, die Reflexion der Scheinwerfer habe mich bloß geblendet, aber dem war nicht so. Im Regen verschwamm sein Bild, als zerfließe er. Seine Augen schienen mich anzuflehen, ich müsse das Gaspedal durchtreten und ihn schnell umpflügen, aber ich konnte nicht. Instinktiv rammte ich den Fuß auf die Bremse und richtete ein Stoßgebet gen Himmel: »Bittebittebitte …«
    An welchen Gott oder Engel auch immer, der samstagmorgens um drei Uhr über Klavierspieler und Penner wachen mochte.
    Der Eindruck, dass die Reifen auf dem Asphalt griffen, währte nicht lange. Stattdessen stellte sich Entsetzen ein, als der regennasse Belag das kümmerliche Profil, das ich noch nicht abgefahren hatte, hinfällig machte. Die Räder blockierten, und ich verlor die Kontrolle über den Midget, noch bevor ich die Gelegenheit dazu bekam gegenzulenken.
    Mein Gebet war auf taube Ohren gestoßen; nicht, dass ich mir echte Hoffnungen gemacht hätte.
    Er trat auf die Straße, blieb stehen und streckte die Hände mit der Flasche darin aus, wie um den Aufprall abzufedern oder den Midget im Freilauf abzulenken. Beides schien für ein Gerippe wie ihn unmöglich, und seine verzerrte Fratze deutete an, dass er sich dessen völlig bewusst war.
    Die Nadel des Tachometers schwenkte geradezu scheußlich elegant nach links zurück. Von sechzig auf null. Der Wagen wurde jedoch nicht langsamer.
    Warum ich?, wollte ich schreien – und tat es letztlich auch, obwohl ich nicht weiß, ob selbst besonders hellhörige Ohren meine Lautäußerungen als Worte erkannt hätten.
    Und als er schließlich durchs Blauschwarz der Nacht flog, hörte ich einzig sein Lachen.
    Die vage Vermutung wurde zur Gewissheit: Ich war mir sicher, ihn umgebracht zu haben. Bewegen konnte ich mich nicht – nicht einmal, um es herauszufinden. Mit einem Mal war ich das Opfer, wartete nach dem Eklat in fassungsloser Agonie auf die Sirenen von Polizei und Notarzt, die sich anschickten, die Scherben aufzusammeln.
    Meinen Händen jedoch widerstrebte dies; sie zogen am Türgriff und öffneten die Tür. Bevor mich noch das Zittern übermannen konnte, schlüpfte ich aus dem Fahrersitz und stellte mich auf die Straße, dabei vernahm ich vage Geräusche. Musik. Die Kassette lief noch, doch welcher Song, konnte ich nicht sagen. Andere Autos auf den benachbarten Straßen trotzten der verhältnismäßigen Stille, die sich dem Anschein nach über die gesamte Strecke vom Hotel an der nächsten Ecke bis zurück zur Ampel gelegt hatte. Hinter verschlossenen Türen hielten Fernseher Scharen Schlafloser bei Laune. Bloß die Sirenen blieben aus.
    Ich wischte mir Blut aus den Augen.
    Nachdem ich den alten Säufer erwischt hatte, war der Wagen ins Schlingern geraten, doch statt mich richtig zu verhalten und einzulenken, hatte ich mit reichlich Gebrüll versucht, gegenzusteuern und das Heck ruhig zu halten, wodurch der Midget einen noch engeren Bogen beschrieben hatte. Ich hatte fest damit gerechnet, mich zu überschlagen. Während einer Reihe aberwitziger 360-Grad-Drehungen war ich in äußerste Panik geraten und hatte alles um mich herum ausgeblendet, um letztendlich frontal und mit Knochen zermürbender Wucht gegen einen Laternenpfosten zu krachen.
    Dass ich angeschnallt gewesen war, hatte mir wahrscheinlich das Leben gerettet. Ansonsten wäre ich mit ziemlicher Gewissheit mit dem Kopf durch die Scheibe geschleudert worden. Nachdem ich wieder in den Sportsitz gepresst worden war, hatte ich alles wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher