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Innswich Horror (German Edition)

Innswich Horror (German Edition)

Titel: Innswich Horror (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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Midgets war undicht, und die Heizung hatte eine Woche zuvor den Geist aufgegeben. Damit nicht genug. Als ich über die Brücke nach Gateshead fuhr, verfiel der Radio-DJ gerade in den monotonen Reigen von Schnulzen, die den Einsamen dort draußen über die schlimmsten Stunden der Nacht hinweghelfen sollten. Allein schon die Augen aufzuhalten, bereitete mir Mühe. Ich war überhaupt nicht in der Stimmung, noch eine Runde weinerlichen Bullshit über mich ergehen zu lassen, also schaltete ich von Radio auf Tape um, und als ich die Split Crow Road erreichte, ließen mich The Surfing Brides wissen, alles werde gut, auch wenn die Welt untergehe.
    »Everything’s Fine (If The World Was Going To End)« ist ein erhebendes Lied, und die Wahl passte in diesem Augenblick recht gut zu meiner Laune. Dafür hatte ich das Auto voller Musik, die garantiert die Liebe mit keinem einzigen Wort bedachte.
    Ich wollte zu Hause sein und mich im Bett an Aimees weichen, zusammengerollten Körper kuscheln, statt verkrampft hinter dem Steuer durch Newcastles trostlose Parodie amerikanischer Großstadtgettos zu fahren – finstere Gassen, Brücken und Graffiti. Umrisse eines Vogels beanspruchten eine Seite der Fassade eines Wohnungshochhauses komplett für sich, da er mit seinen zu einem dreißig Fuß hohen V aufgespannten Flügeln am Dach des Gebäudes kratzte. Selbst der Schattenfall war bis ins Detail ausgearbeitet, wobei wohl nur Gott allein wusste, wie der Künstler dies hinbekommen hatte. Während der dreizehn Wochen, seit denen der Vogel dort prangte, war ich dieser Frage fast jeden Tag nachgegangen, ohne einer plausiblen Antwort näherzukommen.
    Die Ampel vorne am Kreisverkehr schaltete auf Rot um. Gähnend spielte ich noch mit dem Gedanken, sie zu überfahren, trat aber bereits auf die Bremse. Da sonst niemand unterwegs war, ließ ich die Grünphase verstreichen, während ich in den Taschen meiner Jacke auf dem Rücksitz kramte. Noch einen Tick weiter ausstrecken, schon hatte ich Zigarettenetui und Feuerzeug zur Hand. Die Vorliebe für Selbstgedrehte hege ich seit der guten alten Zeit als Student auf der Liverpooler Uni. Es ist ein beruhigender Prozess, seine eigenen Zigaretten zu drehen, sie anzuzünden und den Rauch wie einen Schleier vor die Augen steigen zu lassen. Ich kenne nach wie vor keine billigere Art der Therapie. Abgesehen davon bin ich kein Idiot. Ich lebe schon lange mit meiner Sucht und verglich die selbst gemachten Sargnägel immer gern mit Seelenklempnern für die Tasche. Falls jemand blöde genug war, mich darauf anzusprechen, sagte ich ihm: »So fällt es mir leichter aufzuhören.«
    Kann sogar sein, dass es stimmt, aber wenn nicht, ist es auch egal. Gelegentlich rauche ich gern mal eine und fühle mich gut dabei. Wenn die Ärzte sagen, meine Lungen seien vom Krebs zerfressen und meine Tage gezählt – nun, dann wäre es ohnehin zu spät. Vielleicht hätte ich längst anfangen sollen, meine hausgemachten Virginia-Leaf-Dübel im Akkord zu rauchen oder mir Nikotin intravenös zu spritzen.
    Während ich ein weiteres Gähnen unterdrückte, massierte ich mit der Faust mein schmerzendes Kreuz über dem Becken und streckte mich, um die Schultermuskulatur zu lockern. Ich war verbraucht und die vergangene Woche kam mir vor wie ein endloses Pendeln zwischen Gateshead und Klavierhockern in der Zivilisation. Zweimal London und zurück in drei Tagen. Alle Pein, die zwölfhundert Meilen anrichten konnten, auf ein Quadratzoll Wirbelsäule oberhalb meines Gürtels verdichtet, und zwar ebenfalls hoch zwei. Einmal zum Golden Square, um dort sechs frei improvisierte Songs für Tachyon Webs Live and Unplugged Session on Virgin 1215 zu spielen – weshalb eine Metal-Band mit einem Jazzpianisten anbandelte, wollte ich gar nicht genau wissen –, und dann zurück in die Charlotte Street zum Vorspielen beim Bandcasting für ein Talkshowformat, wie die Macher von Kanal 4 sie unentwegt aufkochten, seit The Last Resort den Bach hinuntergegangen war. Abgerundet hatte ich diesen Marathon, indem ich bei einer Band namens Poetic Justice für einen Jazzclub-Gig eingesprungen war, nur um mir hinterher noch die Nacht beim Pokern mit den Jungs um die Ohren zu hauen.
    Dennoch und um ein Klischee zu missbrauchen: Meine Aufgabe war es nicht, das Weshalb zu eruieren, sondern die Kohle einzustecken und mich meinem kleinen Leben zu widmen. Wer mich fürs Spielen bezahlte, durfte sich meiner Dienste sicher sein. Ich stand dazu, mich mit der Mindestbegabung,
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