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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte
Autoren: Kerstin Hamann
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gespendet hatten. Er dachte an Bielmann, der hier gestorben war, als er genau wie Wellner da gelegen hatte. Er dachte an die Tagebucheinträge von Anja Schulte. Wie begeistert sie von jeder neuen Niere gewesen war und wie sie jedesmal diesen Erfolg gefeiert hatten.
    »Ich muss raus hier!«, sagte er und ging vor die Tür.
    Es war dunkel draußen, nur die spärliche Straßenbeleuchtung spendete ein wenig Licht und spiegelte sich auf dem nassen Asphalt. Martin stand im Regen, aber es war ihm egal. Für einen Moment schloss er die Augen und atmete tief durch. Er wusste, das hier war noch nicht das Ende.
    Die SEK-Leute kamen mit Martins Männern aus dem Haus. Sie verabschiedeten sich und zogen ab. Kurz darauf folgten die Sanitäter mit Steffen Wellner auf der Trage. Der Arzt kam hinterher und führte Delia zum Krankenwagen. Martin trat zu ihnen.
    »Er lebt?«, fragte er.
    »Noch, ja. Irgendwas wurde ihm injiziert, das einen kardiogenen Schock ausgelöst hat. Die Auswirkungen werden wir in der Klinik feststellen und da muss er jetzt schleunigst hin. Genau wie die junge Dame hier.«
    »Frau Wolff.« Martin sah ihr ins Gesicht, während sie blicklos auf den Boden starrte. »Wissen Sie, wo Tobias hin ist?«
    Sie schüttelte nur den Kopf. Dann drängte der Arzt sie, einzusteigen. Der Krankenwagen setzte sich in Bewegung und fuhr davon.
    »Was jetzt?«, fragte Michael, der mit den Kollegen zu Martin getreten war.
    »Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als zu warten. Die Fahndung läuft. Wir werden ihn schon finden.«

86
     
    Es war viertel nach elf, als Martin endlich zu Hause war. Karla hatte trotz der späten Stunde auf ihn gewartet und ihm ein heißes Bad eingelassen. Das schien ihm jetzt genau das Richtige zu sein. Er fühlte sich durchgefroren, von innen wie von außen. Er wollte nicht mehr an Tobias und all die anderen Opfer, Verbrecher und Spender denken. Er wollte vergessen, und wenn es nur für die Länge eines Bades war. Karla kam zu ihm, setzte sich auf den Wannenrand und reichte ihm ein Glas Rotwein. Er lächelte sie dankbar an.
    »Du tust mir verdammt gut, meine Süße!«
    »Du mir auch, mein Schatz!«
    Skeptisch blickte er sie an. »Du nimmst doch ständig Rücksicht auf mich. Ob das so gut tut?«
    »Ich will es nicht anders haben.«
    Er wusste, dass sie es tatsächlich so meinte, sagte aber trotzdem: »Du bist eine gute Frau. Und eine gute Frau sagt dem Mann das, was er hören will.«
    Sie lachte und drückte ihn unter Wasser. In dem Moment klingelte das Telefon.
    »Nein, nicht jetzt«, jammerte er.
    »Ich geh ran und sage, du bist sturzbesoffen und kannst nicht.« Schon war sie draußen, kam aber eine Minute später zurück. Ihr Blick sprach Bände. Es war eine Mischung aus Mitleid und Trauer.
    »Wir holen es nach«, sagte sie und reichte ihm das Badetuch. »Sie haben Tobias Schulte am Flughafen verhaftet. Er wird gerade ins Präsidium gebracht.«
     
    Martin hatte es nicht eilig. Die Hektik des heutigen Tages war völlig von ihm abgefallen. Jetzt bestand kein Grund mehr, zu hetzen. Beklommenheit erfüllte ihn, wenn er sich vorstellte, dass er gleich Tobias gegenübersitzen würde. Ein junger Mann, der lange Zeit sein Mitleid erregt hatte, um den er sich Sorgen gemacht und den er gemocht hatte. Wieder mal ein Beweis dafür, dass private Gefühle in seinem Beruf nichts verloren hatten. Er hatte unprofessionell gearbeitet und musste nun dafür auf seine Weise bezahlen.
    Es war schwer und zugleich enttäuschend, den Schalter nun umlegen zu müssen, von unschuldig auf schuldig zu wechseln.
     
    Tobias saß schon mit Michael im Vernehmungszimmer, als Martin den Raum betrat. Tobias stand auf und blickte dem Kommissar entgegen. Martin stellte sich dicht vor ihn und betrachtete ihn einen Augenblick. Dann holte er aus und gab ihm eine kräftige Ohrfeige.
    Erschrocken griff sich Tobias an die Wange, gleichzeitig war Michael aufgesprungen. »Martin, spinnst du?«
    »Nein«, wehrte Tobias ab. »Er hat ja recht. Ich hab’s verdient.«
    »Die war von mir ganz persönlich. Von Mensch zu Mensch sozusagen. Und zwar von dem Menschen, der sich Sorgen um dich gemacht hat, der dir helfen wollte.«
    »Ich weiß, Sie müssen sich verarscht vorkommen. Und das tut mir leid.«
    »Lassen wir das und kommen wir zur Sache.« Martin setzte sich hinter den Tisch. »Ich brauch jetzt einen Kaffee. Willst du auch einen?«, fragte er Tobias.
    Er nickte nur und wunderte sich, dass er überhaupt gefragt wurde.
    »Michael?«
    »Ja,
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