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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition)
Autoren: Gabriele Gfrerer
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machen. Von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Trotzdem schlüpfte sie jetzt hinein, zog nach einem kurzen Blick in den Badezimmerspiegel rasch den Lidstrich nach und tippte sich mit dem Mittelfinger etwas von Mamas Lipgloss auf die Lippen. Mit einem letzten Kontrollblick streckte sie ihrem Spiegelbild die Zunge heraus, bevor sie in die Tennisschuhe schlüpfte und die Jeansjacke vom Haken holte. Sie war bereits in der Tür, als sie noch einmal kehrtmachte.
    »Bin mit Jonas auf ein Eis. Warte nicht mit dem Essen«, kritzelte sie auf einen Zettel und steckte ihn in den Spiegelrahmen. Mit leisem Klimpern vergewisserte sie sich, dass sie die Schlüssel dabeihatte, bevor sie die Tür mit einem Ruck ins Schloss drückte.

    Auf der großen Wiese am Roten Berg herrschte bereits Hochbetrieb. Die unterschiedlichsten Fluggeräte machten sich gegenseitig einen Platz am wolkenlos blauen Himmel streitig. Ein Geräuschteppich von Motorenknattern, Kinderkreischen und Hundegekläffe schwebte über dem Gelände.
    Klara schob die Sonnenbrille vor die Augen. Dass Kinder immer so schreien müssen … Beinahe hätte der Lärmpegel es geschafft, ihr die gute Laune zu verderben. Nur die Aussicht auf das versprochene Eis und Jonas’ begeisterter Gesichtsausdruck hielten sie davon ab, auf der Stelle umzukehren. Trotzdem zog sie eine Grimasse, als Jonas ihr den Controller seines Hubschraubers hinhielt.
    »Ach nein, ich schau lieber zu«, brummte sie und streckte abwehrend die Hände von sich.
    »Jetzt zick nicht rum!«
    Jonas war der Einzige, dem sie so einen Spruch durchgehen ließ. Jedem anderen hätte sie eine messerscharfe Antwort entgegengeschmettert. So aber schüttelte sie nur den Kopf und zupfte an einem rosa Wollfaden.
    Jonas wirkte unbeeindruckt. »Versuch’s doch erst mal. Wirst sehen, das macht richtig Spaß!«
    Er stellte sich hinter sie und führte ihre Hände an die Hebel. Die Geräusche um sie herum waren plötzlich in Watte gepackt. Klara starrte gebannt auf das Fluggerät, das vor ihren Füßen auf der Wiese stand. Wie von Geisterhand bewegten sich die Rotorblätter. Der Wind, den sie dabei erzeugten, drückte im Umkreis von einem Meter die unzähligen blasslila Herbstzeitlosen zu Boden. Überrascht stellte sie fest, dass sie bewunderte, wie liebevoll Jonas den Hubschrauber zusammengebaut hatte. Bis ins kleinste Detail glich das Ding seinem Vorbild. Sie kam sich vor, als wäre sie in einer Miniaturwelt gelandet, in der nur sie selbst zu groß geraten war. Unter dem sanften Druck seiner Hände beschleunigte sie die Drehzahl. Der Motor sang in immer höheren Tönen. Dann plötzlich bebte der Flugkörper, wippte auf den Kufen hin und her – und erhob sich schwankend vom Boden.
    »Er fliegt!« Klara hatte keine Zeit, sich über ihre Euphorie zu wundern. Ihre Handflächen wurden feucht, konzentriert verfolgte sie die Flugbahn des Minihubschraubers. Die Welt schrumpfte zu einer Kugel in ihrem Bauch, die aus dem in der Sonne blitzenden Metallvogel, dem Sirren des Motors und dem Gefühl von Jonas’ Fingern auf ihrer Haut bestand. Sie meinte, sein Lächeln im Nacken zu spüren, aber sie wagte nicht, sich umzudrehen und dabei das Fluggerät aus den Augen zu lassen. Wie besoffen tanzte der Hubschrauber durch die Luft. Erst nach und nach bekam sie ein Gefühl dafür, wie sie seine Flugbahn mit behutsamen Bewegungen an den Hebeln der Fernbedienung beeinflussen konnte. Mutig geworden beschleunigte sie das Tempo, zog immer engere Kurven und wagte sich näher an die Gruppe der Burschen heran, die mit ihren Lenkdrachen abenteuerliche Flugfiguren in den Himmel zogen. Zwischen den knatternden Nylondrachen kurvte ein blitzendes Ding aus Aluverstrebungen und spiegelnden Auftriebsflächen.
    »He, Rudi! Was ist mit deiner Wette? Glaubst du immer noch, dein Greenpeace-Baby kann’s mit unserem Turbo-Raubvogel aufnehmen?« Jetzt drehte sie sich doch um und zwinkerte Jonas mit einem Grinsen zu.
    »Aua!« Jonas’ fester Griff quetschte ihre Finger. Erschrocken riss sie den Kopf herum. Nur um Haaresbreite verfehlte der Hubschrauber Rudis futuristisches Fluggerät. Ein leises metallisches Klirren verriet, wie knapp sie aneinander vorbeigeschrammt waren.
    »Blöde Kuh!« Rudi meinte eindeutig sie damit. Hektisch warf er die Arme herum und bearbeitete seinen Controller. »Kuh, Schaf oder Schäfer – nichts davon sollte man an ein technisches Gerät lassen!«
    »Verdammt …«
    Klara blinzelte irritiert. Jonas fluchte normalerweise nie. Hatte sie
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