Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inferno

Inferno

Titel: Inferno
Autoren: Dan Brown
Vom Netzwerk:
Tür hinaus. Verblüfft folgte Sinskey ihm in die Halle und sah ihm nach. Er durchquerte den Wartebereich des Konsulats, stieß die Glastüren auf und betrat das Foyer mit den Aufzügen. Für einen Moment dachte sie, er wolle in einen Lift steigen und das Gebäude verlassen, doch stattdessen schlüpfte er unauffällig in die Damentoilette.
    Augenblicke später kehrte er mit einer Frau zurück, die aussah wie Anfang dreißig. Sinskey brauchte mehrere Sekunden, um zu begreifen, dass die Frau Sienna Brooks war. Aus der hübschen Blondine mit dem Pferdeschwanz war eine kahlköpfige Frau geworden – sie war fast nicht wiederzuerkennen.
    Kurz darauf betraten die beiden das Büro und nahmen Sinskey gegenüber am Schreibtisch Platz.
    Sienna kam gleich zur Sache. »Verzeihen Sie. Ich weiß, wir haben eine Menge zu besprechen. Sie haben meine Bedingung akzeptiert, dass ich zunächst etwas sagen darf. Etwas, das mir wirklich auf der Seele liegt.«
    Sinskey bemerkte die Traurigkeit in Siennas Worten. »Selbstverständlich.«
    »Madame«, begann sie mit brüchiger Stimme. »Sie sind die Leiterin der World Health Organization. Sie wissen besser als jeder andere, dass unsere Spezies am Rand des Zusammenbruchs steht … eine Bevölkerung außer Kontrolle. Viele Jahre lang hat Bertrand Zobrist sich bemüht, mit einflussreichen Persönlichkeiten wie Ihnen über die bevorstehende Krise zu sprechen. Er hat zahllose Organisationen besucht, von denen er glaubte, sie könnten eine Änderung bewirken – das World Watch Institute, den Club of Rome, Population Matters, den Council on Foreign Relations und viele andere. Er fand nicht eine , die gewagt hätte, sich auf eine sinnvolle Diskussion über eine echte Lösung einzulassen. Viele antworteten mit neuen Plänen für bessere Aufklärung oder Empfängnisverhütung. Manche erwogen Steueranreize für kleine Familien. Und einige redeten sogar davon, den Mond zu kolonisieren! Kein Wunder, dass Bertrand wahnsinnig geworden ist.«
    Sinskey starrte sie reglos an.
    Sienna atmete tief durch. »Dr. Sinskey, Bertrand kam zu Ihnen persönlich. Er flehte Sie an, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir vor dem Abgrund stehen … bettelte darum, in einen Dialog mit ihm einzutreten. Doch statt ihn anzuhören, nannten Sie ihn einen gefährlichen Irren, setzten ihn auf eine Schwarze Liste und trieben ihn in den Untergrund.« Siennas Stimme war voller Emotion. »Bertrand starb ganz allein, weil Leute wie Sie sich weigerten, die Scheuklappen abzulegen! Weil sie sich weigerten einzuräumen, dass die bevorstehende Katastrophe möglicherweise eine unbequeme Lösung erfordert! Alles, was Bertrand je getan hat, war, die Wahrheit auszusprechen … und für diese Wahrheit wurde er geächtet.« Sienna wischte sich über die Augen. »Glauben Sie mir, ich weiß, wie es sich anfühlt, allein zu sein … die schlimmste Form der Einsamkeit ist die Isolation, die daher rührt, dass man nicht verstanden wird. Sie kann dazu führen, dass Menschen den Bezug zur Realität verlieren …«
    Sienna verstummte, und eine gespannte Stille schloss sich an.
    »Das war alles, was ich zu sagen hatte«, flüsterte sie.
    Sinskey musterte sie für einen langen Augenblick. »Miss Brooks«, sagte sie schließlich, so ruhig sie konnte. »Sie haben Recht. Ich habe vielleicht vorher nicht zugehört …« Sie verschränkte die Hände auf dem Schreibtisch und blickte Sienna in die Augen. »Aber ich höre Ihnen jetzt zu.«

KAPITEL 102
    Die Uhr in der Lobby des Schweizer Konsulats hatte längst ein Uhr morgens geschlagen.
    Der Notizblock auf Sinskeys Schreibtisch war vollgekritzelt mit Anmerkungen, Fragen und Diagrammen. Seit mehr als fünf Minuten hatte sich die Leiterin der World Health Organization nicht gerührt. Schweigend stand sie am Fenster und starrte hinaus in die Nacht.
    Hinter ihr warteten Langdon und Sienna wortlos, die halb geleerten Tassen mit türkischem Kaffee in den Händen.
    Das einzige Geräusch im Raum war das Brummen der Fluoreszenzlampen an der Decke.
    Sienna spürte ihren eigenen Herzschlag, während sie sich fragte, was Sinskey dachte. Sie kennt jetzt die ungeschminkte Wahrheit. Bertrands Virus sterilisiert die Bevölkerung. Ein Drittel der Menschheit ist jetzt unfruchtbar.
    Während der Unterhaltung hatte Sienna gesehen, wie es in Sinskey gearbeitet hatte. Die Direktorin der WHO war zwar bemerkenswert gefasst gewesen, dennoch hatte sie ihre Emotionen nicht ganz verbergen können. Ihr Gefühl der Ohnmacht gegenüber der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher