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Inferno

Inferno

Titel: Inferno
Autoren: Edward Lee
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zu und zeichnete mit dem Finger sein Drachenorden - Tattoo nach. Seine ausgeprägten Brustmuskeln zuckten reflexartig.
    Innerlich kochte Cassie vor Wut. Eigentlich war sie sieben Minuten älter als Lissa, doch Lissa bezeichnete sie beharrlich als kleine Schwester. Und ja, sie war tatsächlich neidisch, aber sie hörte es nicht besonders gern. Sei einfach du selbst , versuchte ihr Psychiater ihr für 250 Dollar die Stunde einzutrichtern. Hör auf, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, weil du nicht jemand anders bist . Cassie vermutete, dass das prinzipiell ein guter Rat war, aber er erwies sich stets als schwer anwendbar.
    »Hey, kleine Schwester!«, ließ sich Radu vernehmen. »Lass noch was für die Alkoholiker übrig. Die müssen sich auch besaufen.«
    Ohne es richtig zu merken, hatte Cassie ihr Bier schon geleert und die Dose auf die Theke zurückgestellt. Hab ich etwa gerade eine ganze Bierdose in fünf Minuten runtergeschüttet ?
    Die Antwort lautete Ja.
    Weißer Schaum spritzte heraus, als Radu eine weitere Dose für sie öffnete. »Brauchst du einen Strohhalm? Oder wie wär’s mit einem Trichter?«
    »Ich hab eine bessere Idee«, kicherte Lissa. »Leg dich doch einfach mit dem Mund unter einen der Zapfhähne und saug daran.«
    Sehr witzig , dachte Cassie, wenn man mal überlegt, woran dein Mund noch vor kurzem gesaugt hat . Sie wünschte, sie könnte es laut sagen, aber sie traute sich nicht. Das würde nur wieder Streit geben, und das wollte sie auf keinen Fall. Also wandte sie sich wieder der Tanzfläche zu und nippte an ihrem Bier, während Lissa und Radu weiterhin alberne Gespräche führten. Jetzt lief »Bela Lugosi’s Dead« von Bauhaus. Die Menge war außer Rand und Band. Der Song war älter als Cassie, doch er übte nach wie vor eine unwiderstehliche Magie aus. Das Stroboskop passte sich dem schaurigen Ticktack am Anfang des Stücks an und verwandelte die Tanzfläche in einen Abgrund abgehackter Bewegungen und blendender Lichtblitze. Cassie betrachtete die Tanzenden. Ganz vorne streichelten sich völlig ungeniert zwei Mädchen in schwarzen Netz-Ganzkörperanzügen, in einer Ecke rieben zwei Typen in schwarzem Leder ihre Unterleiber aneinander. Das Publikum war heute sehr unterschiedlich. Manchmal genoss Cassie es, einfach zu beobachten; aus irgendeinem Grund machte es sie glücklich, andere Leute glücklich zu sehen. An anderen Tagen aber – so wie heute – drohte sie in Depressionen zu versinken. Es hob ihre Stimmung auch nicht gerade, als ein gut aussehender Typ in einem Blackaciddevil -T-Shirt von Danzig auf sie zustürmte und fragte: »Hey, willst du tanzen? Du bist doch Lissa, oder?«
    »Nein, ich bin ihre Schwester.«
    Woraufhin er meinte: »O, sorry«, und wegging.
    Das ist ja ganz reizend, du Arsch!
    Die zwei Bier auf leeren Magen taten ihre Wirkung. Scheißegal , betrinke ich mich eben . Sie ging zurück zur Bar und bedeutete Radu, dass sie noch ein Holsten wollte.
    »Hey, kleine Schwester, der Bierschluck-Wettbewerb ist doch erst nächste Woche!«
    »Halt die Klappe und gib mir einfach noch eins.«
    Nun zog er eine Augenbraue hoch. »Wie heißt das Zauberwort?«
    »Gib mir noch ein Bier, bitte , du glatzköpfiger Vampir-Wichser.«
    Er warf den Kopf zurück und lachte. »Schon viel besser.« Er schob ihr noch eine Dose hin.
    Lissa packte sie grob am Arm. »Jetzt entspann dich mal! Du wirst dich nicht wieder total besaufen und auf dem Heimweg in Dads Cadillac kotzen, wie die letzten beiden Male.«
    »Nein. Versprochen, diesmal kotz ich aus dem Fenster. Ich hoffe nur, dass wir dann gerade auf der Pennsylvania Avenue sind. Dann winke ich Bush zu.«
    Lissa seufzte resigniert. »Cassie, bitte tu das nicht.«
    »Was soll ich nicht tun? Ich trinke hier nur ein Bier und sehe mich ein bisschen um.«
    »Ja, und immer wenn du das machst, kommst du in eine deiner Stimmungen .«
    »Meine Stimmungen sind meine Angelegenheit. Und wo wir schon dabei sind: Warum kümmerst du dich nicht einfach um deine eigenen?«
    »Sei nicht immer so eine Spaßbremse. Ich komm mir vor wie dein Babysitter.«
    »Gehört es bei Babysittern zum Job, dem Türsteher einen zu blasen?«
    »Ich hab dich hier reingebracht, oder etwa nicht?«, fauchte Lissa beleidigt zurück. »Manchmal frage ich mich, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, dich mitzunehmen. Wenn ich nicht wäre, würdest du immer noch da draußen in der Schlange stehen und trübselig auf deine verdammten Schuhe starren wie Alice im Wunderland. Das nächste Mal
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