Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Infektion - Tripp, B: Infektion - Rise Again

Infektion - Tripp, B: Infektion - Rise Again

Titel: Infektion - Tripp, B: Infektion - Rise Again
Autoren: Ben Tripp
Vom Netzwerk:
weiterschrieb. Und davon ausging, dass Danny nicht mit einem dieser sich steigernden Wutanfälle den Flur entlangkam und als Erstes nervös zum Kühlschrank ging, dann ins Badezimmer, dann einmal quer durch das Haus, um die Lichter auszuschalten (während sie etwas über den Strompreis, der in Blutzoll gemessen wurde, vor sich hin murmelte), und schließlich über alles Mögliche zeternd und schimpfend, was nicht selten Kelley betraf, die gesamte Länge des Grundstücks ablief.
    Kelleys Männerfreundschaften (sämtliche Kerle unter fünfzig, die in Kelleys Richtung schauten) waren ein bevorzugtes Thema, und dass ihre Generation so verweichlicht und verwöhnt war wie auch alle anderen, die nicht im Kriegseinsatz gewesen waren. Danny liebte es auch, sich darüber auszulassen, dass niemand wusste, was es bedeutete, ein Cop zu sein. Manchmal stand Danny in ihren schlichten Baumwollunterhosen und ihrem olivbraunen Unterhemd da und schimpfte laut über die schreckliche goldbraune Sofapolsterung oder die nikotinverfärbte Holzvertäfelung an der Wand. Alles, woran sie Gefallen fand. Sie entspannte sich gegen zwei Uhr morgens oder früher, wenn Kelley gegangen war, um auf dem Ausziehbett bei ihrer Freundin Ashleen zu schlafen.
    Warum schrieb sie Danny überhaupt? Weil es sich gut anfühlte, es zu Papier zu bringen? Es gab noch so viel mehr zu sagen, so viele Dinge, die sie ihrer Schwester gern ins Gesicht schleudern würde. Doch irgendwie war alles, was Kelley ihr vorwerfen konnte, sie verlassen zu haben, wobei sie in der Sache nicht mehr Wahlfreiheit hatte als Kelley. Es gab ein paar Gesetze zum Thema Einzelvormundschaft, mit denen sich Danny von ihren drei Auslandseinsätzen hätte freistellen lassen können. Doch die Militärmaschinerie beugte sämtliche Gesetze, um die Truppenstärke zu halten, und Kelley fragte sich sowieso, ob Danny vielleicht auf ihre Rechte verzichtet hatte, nur um eine Zeit lang aus Forest Peak herauszukommen. Vielleicht hätte Kelley dasselbe getan. Danny war für ihre kleine Schwester viel zu früh ein Elternersatz geworden – sie war bereits mit achtzehn das Familienoberhaupt gewesen. Vielleicht hätte sie lieber die Pforte des Todes als ein launisches Kind bewacht, das die örtlichen Hamburger nicht essen wollte.
    Trotzdem empfand Kelley eine gewisse Zuneigung für Danny, sogar Mitgefühl. Kelley zu verlieren war schwer für ihre Schwester. Wahrscheinlich. Vielleicht. Kelley war sich nicht ganz sicher.
    Sie überlegte, ob sie den Brief lieber zerknüllen und draußen in der Einfahrt verbrennen sollte. Dort, wohin Kelley wollte, gab es keine Genugtuung dafür, grausam zu ihrer Schwester gewesen zu sein. Doch das war nur teilweise der Grund, weshalb sie die Nachricht schrieb. Sie wollte Danny auch unbedingt mitteilen, dass in ihrer Welt nicht alles in Ordnung war.
    Morgen, am Vierten Juli, würde Danny die sogenannte » Key of the Mountains«-Auszeichnung erhalten, ein idiotischer Werbegag, den sich der Gemeinderat ausgedacht hatte. Jedes Jahr wurde einem Einwohner, der etwas Großartigeres geleistet hatte, als allmorgendlich die Fenstergitter hochzuschieben, ein überdimensionaler, gelb verchromter Kirchenschlüssel überreicht. Gratulation. Und nebenbei gesagt, öffnen konnte man damit gar nichts. Kelley wusste, dass Danny die Darbietung fürchtete, aber irgendwie bestätigte es Dannys erwünschten » Normalzustand«. Sie war vielleicht nicht in allerbester Verfassung, aber zumindest in guter. Sie hatte schließlich den » Key to the Mountains« bekommen.
    Danny brauchte viel mehr als einen verchromten Schlüssel, ein Rezept der Kriegsveteranenbehörde und zwei jährliche Gespräche mit einem Psychiater. Sie musste sich von Kopf bis Fuß neu erfinden. Vielleicht Forest Peak verlassen. Dieses Haus und diese Stadt waren voller Geister – denen ihrer Eltern, ihrer Ideale, ihrer abgenutzten Gebrauchtwarenleben. Danny würde sich vielleicht darüber klar werden, wenn auch Kelley nur noch ein Geist war.
    Aber ich werde kein Geist sein, dachte Kelley. Ich werde einfach nur frei sein.
    Danny zuliebe schrieb Kelley also weiter.
    Sie schrieb noch mehr über ihre Nachbarn und über das, was sie während ihrer Jahre als unsichtbares Mädchen mitbekommen hatte, als sie mit Menschen zusammengelebt hatte, die sie kaum kannte und denen Danny ein paar Monate Unterkunft abgebettelt hatte. Kelley musste es sich gefallen lassen, gleichzeitig eine Last und ein Mitleidsobjekt zu sein, während sie sich hinter sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher