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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition)
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Grabbeigaben. Der Superior warf seine schönsten Rosen auf Gregorios Sarg, während Doña Elvira ihr Päckchen öffnete. Es enthielt eine Schallplatte. Sie trat damit an die andere Grube, murmelte »You really got me« und ließ die Platte hineinfallen. Anschließend wollte sie gehen, doch Mayla bat sie mit Blicken zu bleiben. Als der kleine Zug, nach Vaterunser und Segen, den Rückweg antrat, gingen die bei den Frauen Hand in Hand. Flores schob wieder Horgan, Butterworth half über die Stufen. Nachhut war Augustin, er sammelte die Windlichter ein. Bis ihm auffiel, daß noch jemand fehlte.
    McEllis hatte als letzter Erde gestreut. Er kniete vor den Gruben und sah zu der Wiese. Dort standen, lagen und saßen jetzt nicht mehr drei Hunde, sondern gut dreißig, angelockt vom Gesang und den Lichtern. Und offenbar immer noch hypnotisiert, bewegten sie weder Schwanz noch Ohren und schauten zum Begräbnisplatz herunter. McEllis nickte ihnen zu wie einer Gemeinde. Es gab da große und kleine, die gewöhnlichen weißgrauen, aber auch ganz weiße und pechschwarze. Es gab welche mit kurzem und langem Fell, mit krummen Beinen und geraden, und es gab häßliche mit Schwären und einem Auge und die anmutigen mit Rehblick und flauschiger Rute. Weibchen wie Männchen saßen da wohl, ältere wie jüngere. Und ein Junges. Es legte den Kopf schräg, und McEllis legte den Kopf ebenfalls schräg – mehr ein Rucken wie im Schlaf, während er leise seinen Namen hörte.
    Der Novize kam hinter den Kletterrosen hervor.
    »Father McEllis«, flüsterte er, »ich glaube, der Bischof möchte noch etwas sagen.«
    Augustin wiederholte seine Worte und zog sich langsam zurück. Er war nicht sicher, ob McEllis ihn verstanden hatte – der kam zwar nun entschlossen auf die Beine, nahm aber nicht den Weg, sondern marschierte quer über die hundebevölkerte Wiese. Und plötzlich ertönte ein herzzerreißendes Jaulen, das sogleich erstickt wurde; dem folgten hastige Schritte und ein besänftigendes Sprechen, schließlich ein Pscht! , bevor eine Tür ins Schloß fiel.

D er Bischof holte die entfallene Rede nach. Er sprach von der Gabe, Menschen aufzuwecken, und der Gabe, Menschen zu gefallen, schloß mit den Worten, nun beginne das Trauern, und nahm dann die drei Frauen in seinem Jeep mit. Als erste stieg Mayla aus; sie wollte noch etwas laufen. Nach ihr ließ sich Flores vor dem Heftchenladen absetzen; sie kehrte in ihre frühere Hütte zurück. Übrig blieb Doña Elvira. Pio De Castro brachte sie zum Gemeindehaus, wo sie auf seinen Wunsch den Gästeflügel bezog.
    Die Alten und der Novize waren nach einem kurzen Gebet auf ihre Kammern gegangen. Keiner konnte schlafen. Der eine glaubte, noch ein Schaufeln zu hören, obwohl die Gräber längst geschlossen waren, der andere saß über Notizen; und jeder horchte auf Geseufze, Rascheln oder Knacken aus den Nebenkammern. Wie immer hörte Pacquin am meisten – zu den vertrauten Geräuschen kamen in dieser Nacht neue. Sonderbare Laute drangen da durch die Wände, ein leises Schnalzen und Pfeifen, wenn nicht ein Locken. Pacquin wunderte sich über sein Gehör, das schärfer wurde statt schwächer, als sollte er die anderen auch noch überleben – Dalla Rosa, Butterworth, McEllis, Horgan, die wie kleine Brüder waren. Ein Dutzend Jahre trennten ihn und die vier, aber das verwischte sich oft; ihn und den toten Gast hatte ein halbes Jahrhundert getrennt. Ein Wunder, daß man sich überhaupt hatte austauschen können. Und beinahe wäre er dabei ebenso redselig geworden wie die übrigen. Pacquin tastete nach zwei geräuschdämpfenden Wattepfropfen. Hochinteressantes war ihm zu Ohren gekommen, und fast bereute er es, nicht auch ausgepackt zu haben. Beim Verfolgen des Wegebaus war er drauf und dran gewesen, Mister Kurt von Lilibeth zu erzählen, Tochter eines Holzhändlers, mit der er manches Abenteuer bestanden hatte, Anfang der zwanziger Jahre, so auch einmal in einem Auslegerboot vor der Küste von Davao; leichter Sturm hatte sie auf eine der vielen Sandbänke getrieben, die ein handwarmes Meer umspülte. Lilibeth. Ein längst vergessener Name, bis zu dem anregenden Gespräch mit Mister Kurt über kleine und größere Schwächen. Der Superior drehte sich zur Wand. Wieder hörte er das Schnalzen oder Locken oder was es auch war und schob die Watte in seine Fledermausohren. Jetzt hieß es schlafen. Morgen gab es viel zu tun. Da mußte man vor allem sehr genau überlegen, womit das Grab eines jungen Menschen
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