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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer
Autoren: Markolf Hoffmann
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erforscht und sie zum Wohl der Menschheit einsetzt. Denn das ist unser Ziel, Ines. Uns geht es nicht um Macht. Wir wollen etwas verändern. Die Welt verbessern! Die Refugien können uns dabei gute Dienste leisten.« Ergriffen tupfte sich der alte Herr mit seinem roten Taschentuch den Blutstropfen vom Daumen. »Aber leider bist du noch ein Kind. Zu jung, zu wild, zu unvernünftig. So wie der andere Junge, dieser Benjamin … mit ihm habe ich viel Scherereien gehabt.« Er schüttelte den Kopf, als wollte er eine lästige Erinnerung loswerden. »Genug davon! Kommen wir zum Wesentlichen. Im Augenblick ist das Refugium für dich nur eine Last. Gib es auf, Ines. Ein Wort und ich lasse dich gehen. Du siehst mich nie wieder, versprochen. Ja, du wirst sogar vergessen, dass wir uns je begegnet sind.«
    Ines drehte langsam den Kopf. Sie blickte zum Fenster und auf die Bronzelampe.
    Die Kerze war kurz vor dem Erlöschen.
    Jetzt war der Augenblick ganz nah, an dem sich entscheiden würde, ob ihr Wunsch in Erfüllung ging.
    Verstohlen blickte sie zur Tür, die der glatzköpfige Fahrer versperrte. Aber Ines konnte die silberne Klinke sehen.
    Die Figur der schwebenden Frau barg etwas in den Händen! So als hielte sie etwas für Ines bereit.
    Es war ein langer, silberner Schlüssel!
    Ihr Herz jubilierte.
    Â»Du sagst gar nichts, Mädchen! Willst du dich nicht zu meinem Vorschlag äußern?«
    In den weißen Augen des alten Herrn war Ungeduld zu erkennen.
    Â»Bist du einverstanden? Du solltest es dir gut überlegen. Denn sonst können wir dich nicht gehen lassen. Niemand darf ohne unsere Zustimmung ein Refugium behalten. Er muss es an uns übergeben, sonst …«
    Er ließ den Satz unbeendet.
    Ines roch Ruß in der Luft.
    Die Kerze war ausgegangen!
    Â»Los jetzt, Ines!«
    Sie wandte sich dem Fenster zu und blickte in den Nebel.
    Im Grau war ein helles rotes Licht zu erkennen.
    Es bewegte sich, stieg höher und höher, veränderte seine Farbe, zersprang in den Schleiern und brachte weitere rote, gelbe und grüne Lichter hervor, Koronen aus farbigen Dämpfen, die sich ineinanderschoben, überdeckten und überlappten – und langsam verglühten …
    Â»Was ist denn da draußen los?«
    Der alte Herr ließ das Buch fallen. Er stürzte zum Fenster. Sein Mund bebte vor Entsetzen.
    Â»Serge, was hat das zu bedeuten?«
    Im grauen Dunst stieg ein neues Licht empor. Diesmal war es blau und bewegte sich rasend schnell auf das Fenster zu, wurde größer, wuchs, zerrann plötzlich zu purpurnem Feuer, das dem Nebel eine blutige Farbe verlieh.
    Â»Serge … träume ich? Der Nebel bäumt sich auf!«
    Die Stimme des alten Herrn zitterte.
    Nun eilte auch der Fahrer zum Fenster. Seine Augenlider zuckten nervös, als er sich neben seinen Meister stellte. Sie drückten ihre Nasen gegen die Scheibe, hinter der immer neue Lichter emporstiegen, blaue und gelbe und weiße und goldene – ein Tanz der Farben im Nebel, als würde dort draußen lautlos die Welt explodieren.
    Ines zählte im Kopf bis drei.
    Bei eins rannte sie los!
    Bei zwei hatte sie die Tür erreicht.
    Bei drei packte sie die Klinke.
    Sie spürte den Schlüssel in ihren Fingern, brach ihn aus den Händen der Frauenfigur. Ein helles Klingen ertönte, als er heraussprang.
    Sie drückte die Klinke herab, zerrte an der Tür.
    Â»Halt! Ines!«, keuchte der alte Herr.
    Die Tür schwang auf, aber zu langsam, zu zäh. Sie knarrte unerträglich. Ines zwängte sich durch den schmalen Türspalt. Nur mit allergrößter Not kam sie hindurch. Sie erhaschte einen Blick auf den glatzköpfigen Fahrer, der sich vom Fenster gelöst hatte, auf sie zueilte – er stolperte gegen den Sessel und stürzte!
    Die Verzögerung reichte aus – Ines zog die Tür zu.
    Innen brüllte der alte Herr wütend auf.
    Â»Ines!«
    Sie hob den silbernen Schlüssel und steckte ihn ins Schlüsselloch.
    Er passte genau und bewegte sich von selbst, drehte sich einmal, zweimal – das Schloss knirschte und Ines sah, wie der Schlüssel schmolz.
    Die Widderhornklinke erbebte, als auf der anderen Seite der Tür jemand an ihr rüttelte.
    Â»Mach sofort die Tür auf!«, hörte sie den alten Herrn kreischen.
    Doch der Schlüssel war jetzt gänzlich mit dem Schloss verschmolzen. Ein Silberstreif wanderte am Spalt der geschlossenen Tür
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