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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer
Autoren: Markolf Hoffmann
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Manchmal erzählte er von damaligen Streichen – wie sie auf der Weide Stiere geärgert, am See Frösche gefangen und im Wald Marder gejagt hatten. Eigentlich, fand Ines, war es schade, dass sie selbst nicht auf dem Land groß geworden war. Auf der anderen Seite war die Stadt auch nicht zu verachten. Gerade jetzt, wo sie älter wurde und die Eltern ihr mehr erlaubten. Sie war sogar schon mit ihrer besten Freundin allein im Kino gewesen. Und ein Kino gab es in diesem Kaff natürlich nicht …
    Â»Wolltest du eigentlich nie von hier weg, Agnes?«, fragte sie aus dem Bauch heraus.
    Agnes lachte. »Ach, weißt du … ich habe als junge Frau viel von der Welt gesehen. Aber irgendwann reichte es. Als Gregor und ich geheiratet haben, wollten wir beide nicht mehr in der Stadt leben.« Gregor war Ines’ Großvater. Sie hatte ihn leider nie kennengelernt. »Also haben wir uns dieses Haus gekauft, und das war eine tolle Zeit, sage ich dir. Uns haben immer viele Freunde besucht, wir haben rauschende Feste gefeiert … so langweilig war es also gar nicht.«
    Â»Ich habe ja nicht gesagt, dass es hier langweilig ist.«
    Â»Aber gedacht, Fräulein.« Agnes drohte spielerisch mit dem Zeigefinger. »Na, vielleicht hast du recht. Es kann schon einsam werden, wenn man allein lebt.«
    Wenn
man allein lebt, fügte Ines im Stillen hinzu und dachte an das Geräusch hinter der seltsamen Tür.
    Â»Aber zum Glück besucht ihr mich ab und zu … die alte, einsame Frau.« In Agnes’ Augen blitzte der Spott. »Ihr könntet ruhig öfter kommen.«
    Das fand Ines auch. Sie verkniff sich aber lieber die Bemerkung, dass ihre Mutter dagegen war.
    Veith und Carmen hatten inzwischen die Stege erreicht, die durch das Schilf auf den Grauweiher hinausführten, gestützt von modrigen, pechschwarzen Pfeilern. Julian wollte auf dem ersten herumturnen, aber Carmen pfiff ihn zurück.
    Â»Deine Mutter hat aber schlechte Laune heute«, sagte Agnes.
    Ines rollte mit den Augen. »Nicht nur heute …«
    Sie holten die anderen ein. Julian schmollte und Carmen rückte ihm gerade die Ohrenschützer zurecht.
    Â»Wollt ihr denn nun die alte Reuse sehen?« Agnes deutete auf einen der Stege. »Sie liegt dort hinten auf den Planken …«
    Â»Auf keinen Fall!«, fuhr Carmen sie an. »Der Steg ist völlig brüchig. Es ist viel zu gefährlich, darauf herumzulaufen.«
    Â»Ach, Mama«, beschwerte sich Ines. »Nun sei doch nicht so …«
    Â»Diese Stege stehen seit hundert Jahren«, sagte Oma Agnes. »So schnell brechen die nicht ein.«
    Carmen sah sie wütend an. »Siehst du, Agnes, das ist der Grund, warum ich meine Kinder nicht mit dir allein lasse. Du kennst keine Verantwortung. Du bringst sie mit deinen verrückten Ideen in Gefahr.«
    Â»Lasst uns doch nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen«, mischte sich Veith ein. »Vergessen wir die Reuse und gehen weiter.«
    Â»Ich will sie aber sehen!«, rief Ines. »Bitte!«
    Â»Du hast gehört, was deine Mutter gesagt hat …«
    Oma Agnes band sich ihren Schal enger um den Hals. »Hören wir auf zu streiten. Ich werde im Dorf fragen, ob sie den Steg für sicher halten. Wenn ja, können wir die Reuse bei eurem nächsten Besuch anschauen. Dann wirst du sicher nichts mehr dagegen haben, liebe Schwiegertochter.«
    Â»Das sehen wir, wenn es so weit ist.« Carmen zog Julian am Ärmel weiter. »Weiter jetzt. Es fängt bald an zu regnen.«
    Immer dasselbe, dachte Ines. Mama wollte nur deshalb nicht, dass wir die Reuse ansehen, weil Agnes es vorgeschlagen hat. Was hat sie bloß immer gegen sie?
    Den Rest des Spaziergangs war die Stimmung getrübt, so wie der Himmel. Es begann zu nieseln … was für ein abscheulicher Mai! Die Wasseroberfläche des Sees wurde ganz krisselig durch die Tropfen.
    Â»Oma«, sagte Ines nach einer Weile, als sie den Grauweiher fast umrundet hatten, »was ist eigentlich hinter dieser Tür im Flur?«
    Agnes blickte sie verwundert an.
    Â»Welche Tür meinst du?«
    Â»Die aus dem dunklen Holz … mit der komischen Klinke.«
    Agnes schwieg. Aber ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie wusste, wovon ihre Enkelin sprach.
    Â»Ich habe sie nie zuvor gesehen.« Ines sah ihre Großmutter prüfend an.
    Â»So?« Agnes schmunzelte. »Ich bin erstaunt, dass sie dir erst jetzt aufgefallen
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