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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut
Autoren: Michael Swanwick
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... Diesmal rühre ich mich nicht vom Fleck, und du kannst ... Es dauerte Stunden, bis sie mir alles gezeigt hatte, was sie gelernt hatte - ›ausgedacht‹, behauptete sie - und ich hatte genügend Zeit, darüber nachzugrübeln, wie ich mich verhalten sollte.
    Als ich wegging, war es dunkel. Sie schlief sich aus, ihr langes schwarzes Haar klebte an ihren verschwitzten kleinen Brüsten. Was für ein engelsgleiches Lächeln um ihre Lippen spielte! Ich wollte herausfinden, wer mir Hörner aufgesetzt hatte, und ich nahm eine Waffe mit. Ich sagte mir, daß er leicht zu finden sein müsse. Ein Mann mit solchen Fertigkeiten, wie Ysolt sie unter Beweis gestellt hatte, mußte in der einschlägigen Gegend bekannt sein.
    Ich ging zum Flußufer, zu den Kaschemmen und Bordellen, und stellte ein paar Fragen. Sie meinten, ja, ein Mann mit den erwähnten Fertigkeiten sei vor kurzem hier durchgekommen.« Aus einem verborgenen Lautsprecher kam ein respektvolles Murmeln, und Bergier betätigte einen Schalter. »Trimmen Sie den Backbordaerostaten notfalls von Hand. Ja. Nein. Sie wissen, was Sie zu tun haben.« Lange Zeit schwieg Bergier unglücklich. Der Bürokrat glaubte schon, er habe den Faden verloren, doch dann erzählte er weiter.
    »Ich konnte den Mann jedoch nicht finden. Alle hatten von ihm gehört - die Kunde hatte sich verbreitet wie der neueste dreckige Witz -, und obwohl viele andeuteten, sie hätten mit ihm geschlafen, war er trotzdem nirgends zu finden. Damals, nach der Unterdrückung der Weißmarsch, trieben sich eine Menge seltsame Typen herum, und ein Sex-Artist war an sich gar nichts Besonderes. Man sagte mir, er sei mittelgroß, ordentlich gekleidet und habe einen trockenen Humor. Er rede wenig, ließe sich von den Frauen aus-halten, habe dunkle Augen und blinzele nur selten. Die Flußgegend wimmelte jedoch von Leuten, die etwas zu verbergen hatten. Ein vorsichtiger Mann konnte sich ewig dort verstecken, und er war der vorsichtigste Mensch, den man sich nur denken kann. Er bewegte sich ungesehen und unbemerkt durchs Nachtleben, versprach niemandem etwas, hatte keine Freunde, keine festen Angewohnheiten. Es war, als stocherte man in Watte! Er war nirgends zu finden.
    Nach ein paar Tagen änderte ich meine Taktik. Ich wollte, daß Ysolt ihn für mich fand. Darum machte ich mich impotent. Wissen Sie wie? Mit meiner Faust. Mit der guten alten Lady und ihren fünf Töchtern. Als Ysolt zu mir kam, wollte der alte Soldat um nichts in der Welt vor ihr salutieren. Ich zwang sie, sich Abwechslung zu suchen. Natürlich tat ich so, als sei ich verlegen, gedemütigt, besorgt. Nach einer Weile weigerte ich mich einfach, es noch einmal zu probieren.
    Jedenfalls nahm sie wieder zu ihrem Liebhaber Zuflucht, zu dem Mann mit der außergewöhnlichen Erfahrung. Sie kehrte mit Atemübungen und Entspannungstechniken zurück, die eigentlich hätten funktionieren müssen, aber das taten sie nicht. Die ganze Zeit über verhielt ich mich ihr gegenüber abweisend und distanziert. Es lag nahe, daß sie annahm, ich gäbe ihr die Schuld an meinem Versagen. Als mich die Gesellschaft wieder zum Dienst rief, war sie bereit, alles zu versuchen, um mich zu heilen.
    Bei meinem nächsten Besuch hatte sie einen Mann ›ausfindig gemacht‹, der mir in meiner Not helfen könne. Sie wußte, daß ich von den Anhängern des Hexenkults nichts hielt. Er könne jedoch einen Zaubertrank für mich bereiten. Das Mittel würde eine Menge kosten. Das gefiele ihr nicht. Dafür solle man nicht bezahlen. Doch das Glück ihres Ehemanns liege ihr so sehr am Herzen ... Schließlich hatte sie mich überredet.
    Am Abend tat ich Silbergeld in einen kleinen, schweren Kasten und suchte eine Reparaturwerkstatt am Hafen auf, die sie mir beschrieben hatte. Über der Seitentür brannte ein blaues Licht. Ich trat ein.
    In dem Moment, als die Tür zuging, schaltete jemand sämtliche Lampen ein. Ich war geblendet. Dann traten aus dem gleißenden Licht Automobile, Gestelle mit Ölbüchsen und Gasflaschen zum Schweißen hervor. Sechs Personen hatten auf mich gewartet, darunter zwei Frauen. Sie saßen in Lastwagenkabinen und auf Motorhauben und sahen mir unfreundlich entgegen, mit dem starren Blick von Eulen.«
    Als der Lautsprecher wieder zu brummein begann, ruckte Bergier mit dem Kopf. »Warum belästigen Sie mich damit? Ich will nicht mit Routineangelegenheiten behelligt werden.« Dann fuhr er mit seiner Erzählung fort: »Eine der Frauen wollte das Geld sehen. Ich machte den Kasten
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