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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas
Autoren: Carsten Henn
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Kleidung,
die eigentlich nur ein Farbenblinder zusammenstellen konnte, und eine
Herzlichkeit ausstrahlend, welche die Kälte sofort vertrieb. Der Mann war
Julius sofort sympathisch. Auch weil er ganz leicht nach Pfeifentabak roch.
Gutem Tabak.
    »Ist das Ihr Kater?« Er zeigte auf Herrn Bimmel.
    »Ich bin der stolze Eigentümer dieses Prachtburschen – es sei
denn, er hat irgendwas angestellt.«
    »In dem Fall kennen Sie ihn nicht, oder?« Der Holzfäller lachte
laut.
    »Dann habe ich diesen Kater noch nie gesehen.«
    »Machen Sie sich mal keine Sorgen! Angestellt hat er nichts. Ich
sehe ihn nur in der letzten Zeit häufig bei mir ums Haus schleichen.
Wahrscheinlich liegt’s an Loreley.«
    »Sie haben Ihr Haustier also nach einem Felsen benannt.« Julius gab
den beiden Katzen noch etwas Futter. Dieser Mann schien interessant zu sein.
    »Ja, weil sie so ein Dickkopf ist. Nein, ganz im Ernst, weil meine
Vorfahren aus Bacharach am Rhein stammen. Altschiff mein Name.«
    Den Namen hatte Julius schon gehört. Von diesem Heppinger
Neuankömmling wurde im Dorf erzählt.
    »Ach, der Herr Professor.«
    Altschiff wirkte wie ein Junge, den man dabei ertappt hatte, wie er
den Mädchen hinterherspionierte. Er strich über Loreleys Rücken, die einen
genüsslichen Katzenbuckel machte.
    »Ja, der. Germanistik, Schwerpunkt Kriminalliteratur. Und Sie
sind …?«
    »Julius Eichendorff, ich bin …«
    »Sagen Sie nichts! Wie könnte ich Sie nicht kennen? Koch und
kulinarischer Detektiv!«
    Diesen Titel hatte Julius vor einem Jahr von der Presse verliehen
bekommen, als er die »Rote Bestie« gestellt hatte.
    »Eigentlich nur Koch.«
    »Haben Sie im Radio vom Mord im Regierungsbunker gehört? Wissen Sie
was darüber? Zum Beispiel, wer der Tote war?«
    Gute Frage, dachte Julius, sehr gute Frage. Die hatte ihn auch schon
beschäftigt. Wer war dieser Mann, den er tot gefunden hatte, wirklich? Fakten
waren gut und schön. Aber über den Menschen Klaus Grad sagten sie überhaupt nichts.
Und auch nichts darüber, wer ein Motiv gehabt haben konnte, ihn zu töten.
    Julius’ Entsetzen war noch nicht erkaltet, da brannte schon wieder
etwas in ihm, das er seit Monaten nicht mehr gespürt hatte. Er konnte nicht
glauben, wie schnell die Bestürzung einer Faszination wich. Aber so war es.
Plötzlich hieß die wichtigste Frage: Wie konnte er an einem Sonntag Auskunft
über all dies bekommen?
    Julius stand lange vor dem Telefon. Immer wieder nahm er
einen Schluck aus dem Glas in seiner Hand, das er vor wenigen Minuten bis zu
der Stelle gefüllt hatte, an der es sich verjüngte. Ein schwerer Rotwein, der
von innen wärmte, eine der seltenen Flaschen »Melchior M.« von der
Porzermühle. Das Glas war mittlerweile leer und Julius dem Telefonhörer keine
Handbreit näher gekommen. Aber der Wein wirkte. Julius blickte noch einmal auf
die Handynummer, die sich im aufgeschlagenen Adressbüchlein unter »V« fand,
setzte das Glas wieder an, um einen großen Schluck zu nehmen, und musste
enttäuscht feststellen, dass seine Kehle trocken blieb. Kein Tropfen war mehr
darin.
    Es war Zeit, eine Entscheidung zu treffen.
    Es kam ihm vor, als würde er mit dem Tippen der Nummer einen Vertrag
unterzeichnen, der sein Leben verändern würde. Als wäre dies ein entscheidender
Moment – nur, dass er nicht wusste, wohin ihn seine Entscheidung bringen
würde. Es tutete nur einmal, bevor sich eine Frauenstimme meldete.
    »Von Reuschenberg.«
    »Hier ist Eichendorff. Julius Eichendorff.«
    »Ist Ihnen noch etwas eingefallen?«
    Julius überlegte und setzte wieder das leere Glas an seine Lippen.
Er musste es geschickt anpacken. »Nein, nicht direkt, aber …«
    »Hören Sie, Herr Eichendorff. Ich bin immer für ein Schwätzchen zu
haben – besonders gern mit Ihnen. Aber zurzeit ist es ganz schlecht, wie
Sie sich vielleicht denken können. Rufen Sie mich lieber nächste Woche an oder
besser erst wenn der Fall gelöst ist, ja? Nehmen Sie es mir bitte nicht übel!«
    Julius spürte, dass von Reuschenberg auflegen wollte. Der letzte
Satz hatte das »Auf Wiedersehen« quasi schon in sich getragen.
    »Brauchen Sie eine Kontaktperson vor Ort?«
    Schweigen. Julius sah, wie die Digitalanzeige seines Telefons die
Sekunden taktgenau zählte. Es waren fünf, die sich anfühlten wie fünfzig. Dann
begann etwas, das wie ein Lachen klang.
    Julius setzte nach. »Mir sind da ein paar Ideen gekommen, die
vielleicht weiterhelfen könnten.« Stimmte natürlich nicht. Ihm waren
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