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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas
Autoren: Carsten Henn
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wunderlicherweise kamen
keine. Stattdessen konnte er beobachten, wie Annemaries Lippen immer schmaler
wurden.
    »Deine Kusine Anke …«, wiederholte Annemarie nun, »ist
schwanger!«
    Das war doch ein Grund zur Freude, dachte Julius und sagte es auch.
    »Ist es ja auch. Wir freuen uns ja auch alle, vor allem natürlich
Traudchen und Jupp als zukünftige Großeltern. Was hat die Anke nicht alles
versucht? Der Herrgott wird schon wissen, warum er sie so lang hat warten
lassen.«
    Sie holte Luft. Julius ergriff die Chance. »Annemarie, ich muss
jetzt wirklich weg. Du hast mich gerade auf dem Sprung erwischt. Können wir
vielleicht ein andermal drüber reden?«
    »Nein, das duldet nun wirklich keinen Aufschub«, sagte Annemarie und
rauschte ins Haus wie ein eisiger Wind. Der zog weiter in Richtung Küche und
kam von dort mit einem Glas und einer Flasche Rotwein zurück. »Also Julius, der
Wein ist viel zu kalt.« Sie goss sich reichlich ein. »Setz dich!«
    Julius tat nicht, wie befohlen. »Annemarie, ich muss weg. Zum
Regierungsbunker, da ist einer ermordet worden.«
    »Ach, das! Das war Selbstmord. Ist doch sonnenklar. Der Klaus Grad
hatte Alkoholprobleme, wahrscheinlich wusste er nicht weiter, hört man ja immer
wieder. In dem alten Bunker lag sicher eine Waffe rum, und er hat der Sache ein
Ende bereitet. Was der Alkohol mit den Menschen anstellt, Julius, das ist eine
Schande! Der Alkohol hat schon mehr Menschenleben zerstört als der Krieg. Ich
sag’s dir!«
    »Du sprichst weise, liebe Anverwandte. Aber ich muss da jetzt hin.«
    »Warum denn? Brauchen die neuerdings Köche, wenn einer stirbt? Oder
hilfst du wieder der Polizei? Das ganze Tal redet immer noch davon. Das ist
aber auch vollkommen egal, du wirst hier gebraucht. Sonst gibt es einen
Riesenstreit in der Familie. Ach, was rede ich! Den haben wir schon längst.
Anke will ihren Nachwuchs Roberto nennen!« Annemarie hatte sichtlich Probleme,
den Namen über die Lippen zu bringen. »Und wenn es ein Mädchen wird, soll es
Margherita heißen! Nur weil die Großeltern von Rainer Italiener waren! Roberto
und Margherita – was soll aus dem Kind nur werden?«
    Ein Schlagersänger oder eine Pizza, dachte Julius.
    Das war ja wirklich ein brennend wichtiges Thema, das ihn da vom
Regierungsbunker abhielt. Langsam wurde es Julius in den molligen Wintersachen
warm. »Und was soll ich da machen?«
    »Na, mit ihnen reden, auf dich hören sie vielleicht. Du weißt doch,
wie große Stücke Anke auf dich hält!«
    Konnte diese Familie eigentlich irgendetwas allein regeln? Vor einem
Jahr hatte sie ihn in eine Mörderjagd verwickelt, diesmal sollte er den
Familienstammbaum vor Unheil schützen.
    Es gab nur einen Ausweg.
    »Mach ich, versprochen.«
    »Gleich heute!«
    »Bald, ich verspreche es!«
    »Julius, Namen sind so wichtig. Den Namen,
den man einem Kind gibt, wird es sein Leben nicht los. Namen machen Leute!«
    »Ich weiß, nomen est omen.«
    Annemarie schaute ihn überrascht an. »Ja. Das auch. Gut, Julius,
dann kann ich ja jetzt zu Jupp und Traudchen gehen.«
    »Warum?«
    »Na, damit sie mit Anke reden!«
    »Ich dachte, ich …«
    Annemarie war schon aus der Tür. Und Julius kam nun wirklich langsam
ins Schwitzen.
    Seinen Audi A4 parkte er vor dem
Bunkereingang, der oberhalb Marienthals in den Weinbergen lag. Mittlerweile war
die Dämmerung wie ein fahles Leichentuch über das Tal gezogen. Trotz der vielen
Polizeiwagen, die nun vor dem Wachturm parkten, wirkte die Szenerie leblos. Nur
in einem der Autos brannte Licht. Es war der Ford Transit, in dem Julius wenige
Stunden zuvor seine Aussage gemacht hatte.
    Julius klopfte an die Fensterscheibe der Schiebetür. Sie wurde
aufgezogen. Von Reuschenberg begrüßte ihn knapp. Durch die Handschuhe hindurch
konnte Julius ihren festen Händedruck spüren. Im Inneren des Transporters lief ein
Fernseher. Nur Schemen waren darauf zu erkennen, von ständigem Flackern
unterbrochen. Von Reuschenberg schaltete ihn aus. Julius konnte erkennen, dass
ihre Pupillen so stark geweitet waren, dass die Augen fast schwarz wirkten, was
sie noch katzengleicher wirken ließ.
    »Soll ich Sie auf den neuesten Stand bringen?«
    »Deshalb bin ich hier.«
    »Sie wissen ja, dass ich Ihnen all das nicht erzählen darf. Deshalb
erzähle ich Ihnen jetzt auch nichts. Sie wissen von nichts und werden niemandem
erzählen, was Sie nicht wissen.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Ich auch nicht.«
    Sie lächelten sich an. »Wir wollen aus
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