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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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junger Freund. Du bist heute mein wahrhaftiger Sohn, denn mein leiblicher Sohn ist, verglichen mit dir, nur ein Riesentölpel, der kaum rechts von links zu unterscheiden weiß, überm Lesen radebrecht, noch schlechter schreibt als ich und nichts im Sinn hat als Fuchsjagd, Völlerei, Saufen, die Bauern schinden, die Kammermädchen pfählen. Die Pest über diesen Ignoramus! Der hätte seinen so qualvoll leidenden Vater glatt sterben lassen! Monsieur de Siorac, Ihr seid mir von der Jungfrau Maria und allen Heiligen gesandt. Euch hat der Himmel auf diesen Schemel bestellt, um einen armen Sünder zu retten! Mein lieber Dolmetsch, mein liebreicher Vetter, mein ewiger, unwandelbarer Freund, was begehrst du zum Lohn für diesen Dienst, den du der Baronie Caudebec erwiesen? Verlange, was du willst! Alles sei dein!«
    Und er bewies, wie sehr ein normannischer Baron nach Art der Gascogner zu übertreiben vermag, denn er fuhr fort:
    »Sag an, was wünschst du? Meine Börse? Mein Pferd? Meine Tochter?«
    »Aber, aber!« wehrte ich ab, mit einem Lachen. »Eure Tochter im Tausch für eine Fischgräte?«
    »Meine Tochter? Ich hab keine Tochter!« rief Caudebec und lachte herzerfrischend über sich und mich, auf normannische Art, die so plump nicht war.
    »Nun gut«, erwiderte ich, »wenn Ihr schon von einem jungen Mädchen redet …« Ich flüsterte ihm einige Worte ins Ohr.
    »Ha, Mordskerl!« rief er und lachte schallend. »Wüstling! Aber abgemacht! es kostet mich nicht viel. Obschon (er besann sich sofort wieder), ich hatte das Dämchen ins Auge gefaßt. Aber sei es (und er tat sehr großmütig), ich überlasse sie dir, mein Freund, da dies nun mal dein Begehr ist.«
    Mir schien, er war recht erleichtert, so billig davongekommen zu sein – Schenken war, wie ich erraten hatte, seine Stärke nicht.
    Unterdessen brachte der Page mein Wams zurück. Ich streifte es über, dann verabschiedete ich mich von Baron Caudebec,von Bruder Antoine und von dieser frommen Versammlung, die ihr Mahl noch nicht zur Hälfte eingenommen hatte, denn weiterhin sah man sie die aus der Küche herbeigetragenen Fleischmassen tapfer schlingen. Am Treppenabsatz rief ich den Pagen:
    »Holla, Rouen, zu mir!«
    Er eilte herbei und starrte mich mit seinen grünen Augen an, schien sich nicht ganz wohl in der Haut zu fühlen.
    »Rouen, du hast mein Wams ausgebürstet und schuldest mir darum vier Sols«, sagte ich leise zu ihm.
    »Vier Sols, wie das, Herr?« Rouen sperrte das Maul auf.
    »Aber genau. Die waren nämlich in meiner Tasche.«
    »Vielleicht sind sie herausgefallen«, sagte Rouen, auf den Fußboden starrend, als suchte er sie.
    »Glaube ich dir: aus meiner Tasche herausgefallen in deine hinein.«
    »O nein, Herr!« versicherte er, ohne die Stimme zu heben. »Ich schwör’s, ich bin eine ehrliche Haut!«
    »Geh mir, Rouen! Schwören zu dieser Stunde! Was geschähe, wenn ich meine Rechnung deinem Herrn vorlegte?«
    »Er würde mich grün und blau schlagen!«
    »Um dir diese Pein zu ersparen, Rouen, verständigen wir uns auf einen kleinen Handel. Falls du die vier Sols auf dem Fußboden findest, sollen sie nach gutem Finderrecht dir gehören. Und solltest du Bruder Antoine über mich reden hören mit dem Baron, erzählst du mir, was er gesagt hat.«
    »Topp, es gilt!« sagte Rouen, mit einem Grinsen von Ohr zu Ohr.
    Ich kehrte zurück in mein Zimmer, sehr befriedigt darüber, auf welche Weise ich Bruder Antoine getäuscht. Ich hatte ganz nach meines Vaters Art gehandelt: die Wahrheit, so meinte er, schulde man nur Freunden, dem Feind sei mit List und Tücke zu begegnen, dabei er die Hugenotten oft mit den unterdrückten Hebräern der Bibel verglich.
    Mein geliebter Samson hatte sich nicht entkleidet und nicht hingelegt, er fürchtete Heimsuchung unserer Bettstatt durch die von der Wirtin angekündigten Fremdlinge. Er hatte mit Unbedacht darauf beharrt, daß unsere Beischläfer Männer und nicht Weibsbilder sein sollten, war er doch selbst so schön und wohlgestalt, daß er einem Päderasten durchaus eine Versuchung hätte sein können.
    Ich fand ihn grübelnd, grollend und schweigsam auf seinem Schemel, sehr betrübt ob meiner langen Abwesenheit. Ihm gegenüber saß Miroul, der den Mund nicht aufzutun wagte, nur hin und wieder an einer Saite seiner Viole zupfte, seinem Herrn zur Tröstung und weil es so schön klang.
    Mein lieber Samson zeigte sich sehr erregt, nachdem ich ihm meine Erwägung nahegebracht, daß wir uns diesen normannischen Pilgern
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