Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
mir sehr betucht. Habt Ihr die goldenen Armreifen der stattlichen Damen da gesehen? Moussu, säumen wir nicht, mich ruft die Küche. Tut Ihr, wie besprochen. Und was mich betrifft (sie kniff mich funkelnden Auges in den Arm), ich werde Gelegenheit haben, Euch wiederzufinden, sei es Tag oder Nacht. Euch jedenfalls stets ergeben zu Diensten.«
    Sie machte eine tiefe Verbeugung, hielt aber die Hand über dem Mieder, damit die Brüste nicht wieder ihrer Behausung entschlüpften, hier vor so frommer Versammlung.
    »Monsieur!« rief Baron Caudebec, mit der Keule eines Perlhuhns auf mich zielend. »Wer seid Ihr, daß Ihr es wagt, taktlos unsere heiligen Gebete zu stören? Wäret Ihr nicht ein so junger Spund, würde ich Euch auf der Stelle meinen Degen durch die Leber stoßen!«
    »Herr Baron Caudebec«, antwortete ich im Französisch der Pariser und verbeugte mich leicht, »habet die Güte, meine Leber zu schonen, auch wenn ich entschieden verneine, daß sie der Sitz des Denkens ist, wie Babylons Gelehrte fälschlicherweise behaupteten. Ich heiße Pierre de Siorac und bin der Zweitgeborene des Barons von Mespech aus dem Périgord. Ich reite nach Montpellier, die Medizin zu studieren, und hier bin ich, um mich Euch als Dolmetscher anzubieten, da ich des Okzitanischen kundig.«
    »Holla, Euch schickt mir das Paradies aller Heiligen!« rief Caudebec, die Keule himmelwärts richtend. »Page, einen Schemel für diesen Edelmann! Hierher, nahe zu mir! Ihr seid mir die Rettung, mein Freund! In diesen Provinzen wähne ich mich verlorener als ein Christ in Maurenland! Dieses Bauernvolk hier versteht meine Sprache nicht!«
    Der Baron erhob sich und legte mir huldvoll seine schweren Pranken auf Schulter und Rücken. Alles an ihm war von stattlicher Größe: sein Stiernacken, die ausladenden Schultern, der mächtige Brustkorb. Er hatte blondes Haar, einen dichten Schnauzbart, blaue Augen in einem karminroten Rundgesicht. Sein prächtiges Wams war etwas in Mitleidenschaft gezogen, weil er aß wie ein Türke; er warf die abgenagten Knochen hinter sich und wischte seine Finger an den Röcken der Serviermädchenab, die ihn nicht zu schelten wagten, denn beim geringsten Aufbegehren knurrte er, schaute zornig drein und drohte sogleich, dem Mädchen die Titten zu zersäbeln. Er sagte es auf französisch und wurde nicht verstanden, doch Blick und Ton waren beredt genug. Und hatte sich der Baron Finger und Schnauzbart von der Sauce gesäubert, befummelte er dem armen Ding noch ein bißchen den Hintern, war er doch ebenso lüstern wie fromm.
    »Mein Freund«, rief er nach den Umarmungen, »Euer Wams ist noch ganz staubig vom Fallen vorhin. Holla, Page, nimm dem edlen Herrn das Wams ab und bürste es aus! Page, potz Daus! der Kerl schläft wohl! Herrgottspfingsten, ich hol ihm das Gedärme aus dem Leib!«
    In Wahrheit gab er sich mit einer Backpfeife zufrieden. Der Schlingel wich ihr aus, schrie aber wie ein Schwein am Spieß. Dann entwendete er mir im Nu das Wams und eilte damit fort, denn der Spitzbube war mitnichten verschlafen, sondern ein Quecksilber und nicht minder ein Lügner und Frechling und hatte, fern den Ohren seines Herrn, ein arges Mundwerk. Ergötzlich übrigens zu sehen, wie er hinter dem Baron stand und die halb abgenagten Knochen auffing, was aber nicht des Pagen einzige Verpflegung war. Er plünderte auch die Schüsseln der Pilger, schnappte ihnen die besten Happen vor der Nase weg, sobald sie den Kopf abwandten. Rouen hieß dieser Page, nach der Stadt seiner Geburt, und das war schon eine recht merkwürdige Art, einen Christen zu benennen. Er hatte grüne Augen und auf dem Schädel einen wirren Busch roter Haare, so struppig und stachelig, daß kein Kamm der Welt gegen sie ankam.
    Doch zurück zu meinem Bericht. Nachdem mir das Wams abgenommen worden, setzte ich mich im Hemd auf den Schemel zwischen dem Baron und einem untersetzten, breitschultrigen Mönch, dem die dichten schwarzen Brauen das Antlitz in zwei Hälften spalteten. Der brave Apostel saß beim Speisen recht weit ab vom Tisch, weil sein Schmerbauch sich gewaltig vorwölbte.
    »Monsieur de Siorac«, wandte sich der Baron an mich, eine lange Bigorrer Wurst schlingend, die er sich im ganzen Stück eingeführt hatte, »dieser Mönch ist Bruder Antoine« – was sich, bei vollem Mund, so anhörte: »Müfer Mömpf ift Bruder Amtoam.« Als die Wurst verdrückt war, trank er, um nachzuspülen,in einem einzigen Zug seinen Becher leer, dann fuhr er fort: »Bruder Antoine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher