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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis
Autoren: Cay Rademacher
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Tänzer
     in ihrem schauderhaften Reigen so in Angst versetzt, dass ich blindlings
     auf die Insel gelaufen war. In meiner Furcht hatte ich weder nach links
     noch nach rechts geblickt — und so hatte ich nicht bemerkt, ob die
     Kogge noch im Hafen lag oder nicht. Dann hatte ich Lea gesucht, anschließend
     war ich, besessen von meinen eigenen Dämonen, in die Kathedrale gestürzt.
     Nun beklagte ich innerlich meine Hast und meine Angst.
    Ich spähte Richtung
     Hafen. Der andere Turm versperrte mir einen Teil der Sicht. Auch war der
     Himmel nun vollständig schwarz. Blitze zuckten über das
     Firmament und warfen grelles Licht über die Dächer, das die
     Augen blendete. Der Rauch des Scheiterhaufens, um den die Tänzer
     ihren Reigen drehten, zog in dichten grauen Schwaden herüber.
    Trotzdem sah ich einen Mast
     aufragen, höher als den aller anderen Schiffe: Die »Kreuz der
     Trave« war noch da.
    Als ich jedoch genauer
     hinsah, bemerkte ich Bewegungen an Bord. Schatten huschten hierhin und
     dorthin. Der Rauch des Feuers wurde immer dichter, die Wolken schluckten
     auch das letzte Sonnenlicht, ich vermochte nicht mehr genau zu erkennen,
     was dort vor sich ging. Doch ich glaubte, dass sich Gestalten am Segel zu
     schaffen machten und andere an den Leinen, welche die Kogge mit dem Kai
     verbanden. »Schnell!«, rief ich, in höchster Angst.
     »Wir müssen zum Hafen!« Ich wollte die Treppe wieder
     hinabstürzen — doch da stand ein Schatten in der Pforte und
     versperrte uns den Weg.
    *
    Philippe de Touloubre sah aus
     wie der Engel des Todes. Seine Kutte war schmutzig und mit Blut befleckt.
     Seine Züge waren von Beulen und Wundmalen entstellt. Er stank wie ein
     Wesen der Hölle, seine Augen glänzten fiebrig und in seiner
     Linken blitzte die lange, scharfe Klinge eines venezianischen Dolches.
    »Ich ahnte, dass du es
     irgendwie bis hier hinauf schaffen würdest, Bruder Ranulf«,
     stieß er keuchend hervor. »Oh, du wärest ein guter
     Inquisitor geworden, vielleicht der beste der Christenheit! Doch statt
     Ketzer zu jagen, bist du selbst zu einem geworden. Sogar eine Jüdin
     bringst du hinauf in die Kathedrale von Paris!« Meine Seele war
     kalt. Ich war ruhig, alle meine Sinne waren so klar, wie sie es wohl
     niemals zuvor und auch niemals danach wieder waren. Ich hob den Schürhaken.
    »Gebt den Weg frei,
     Meister Philippe«, flüsterte ich.
    »Niemals!«, rief
     er irre lachend. »Du wirst die Kogge nicht aufhalten können. Du
     wirst GOTTES Plan nicht stören!«
    »GOTTES Plan?«,
     sagte ich verächtlich. »Ein menschlicher Plan ist dies - und
     Menschen mussten dafür sterben.«
    »So wie auch ihr
     sterben müsst!«, stieß der Inquisitor hervor. »Hier
     werdet ihr fallen und die Raben werden euch fressen.« Mit diesen
     Worten sprang Philippe de Touloubre auf mich zu. Ich wollte ihn mit dem
     eisernen Haken treffen, doch ich bin ein Mann GOTTES und ein Mann der Bücher,
     kein Kämpfer. Bevor ich überhaupt nur zum Schlag ansetzen
     konnte, stand mein Gegner vor mir und stieß mir den Schürhaken
     aus der Hand.   
    Wir stürzten zu Boden,
     krachend brach ein Schreibpult, das im Weg stand, unter dem Aufprall
     unserer Körper zusammen. Wir rangen mit der Kraft der Verzweiflung.
     Das zerfressene Gesicht des Inquisitors war nur eine Handbreit von meinem
     entfernt, sein fauliger Atem schlug mir ins Gesicht, ich roch Blut und
     Schweiß. Wir wälzten uns über den Boden und knurrten und
     keuchten dabei wie tollwütige Hunde. Verzweifelt hielt ich seine
     Linke umklammert, damit sein Dolch mich nicht träfe.
    Plötzlich kam der
     Inquisitor jedoch auf mir zu liegen und drückte mich nieder. Ich
     hielt seine Linke in eisernem Griff, doch seine Rechte hatte sich in meine
     Fäuste gegraben, um mich zu schwächen. Langsam drückte er
     die Spitze des Dolches tiefer hinunter. Noch zwei Handbreit trennten sie
     von meiner Brust. Ich wand mich und versuchte, mich zu befreien, doch kam
     ich nicht von ihm los. Immer tiefer drückte er die Waffe. Noch eine
     Handbreit.                  
    Dann schlitzte die
     Dolchspitze meine Kutte auf. Ich sah rote und schwarze Farben und hörte
     nur noch das Blut in meinen Adern rauschen und spürte schon das Eisen
     auf meiner Haut. Da hörte ich, wie aus großer Ferne, einen
     Schrei — und der Albdruck ließ nach. Mit letzter Kraft bäumte
     ich mich auf und warf Philippe de Touloubre von mir. Dann krümmte ich
     mich würgend zusammen,
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