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In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
Autoren: Lee Child
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Und die Tatsache, dass der Wagen von einer Frau gefahren wurde.
    Im Allgemeinen gab es eine Hackordnung, die auf einer unbewussten Risikoabschätzung basierte. Ganz oben stand
ein junges Mädchen, das jederzeit von einem älteren Mann mitgenommen wurde, denn was sollte daran gefährlich sein? Aber da sich manche jungen Mädchen als Erpresserinnen entpuppt hatten, die hundert Bucks dafür verlangten, dass sie keine Anzeige wegen angeblicher sexueller Belästigungen erstatteten, wurden auch Anhalterinnen seltener mitgenommen. Ganz am Ende der Liste stand jedenfalls ein großer, leicht verwahrlost aussehender Kerl, der von einer eleganten, schlanken Frau in einem teuren Coupé mitgenommen wird. Aber genau das passierte. Innerhalb von drei Minuten.
    Reacher hastete, den linken Daumen in die Höhe gereckt, die Straße entlang, als der weiße Wagen auf dem heißen Asphalt neben ihm hielt. Das von der Motorhaube zurückgeworfene Sonnenlicht blendete ihn. Er wandte sich ihm blinzelnd zu, und die Frau am Steuer ließ das rechte Fenster herunter. 7.45 Uhr, Freitagmorgen.
    »Wohin?«, wollte sie wissen, als fahre sie ein Taxi, keinen Privatwagen.
    »Irgendwohin«, antwortete er.
    Er bereute sofort, was er gesagt hatte. Es war eine dämliche Antwort, denn kein Ziel zu haben machte die Situation im Allgemeinen noch schlimmer. Die Leute halten einen für einen Herumtreiber, was sie misstrauisch macht und befürchten lässt, sie könnten einen nicht mehr loswerden. Aber diese Frau nickte nur.
    »Okay«, sagte sie. »Ich bin in die Nähe von Pecos unterwegs.«
    Er zögerte überrascht. Sie hielt den Kopf gesenkt, sah schräg durchs Fenster zu ihm auf.
    »Großartig«, sagte er.
    Er ging um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür und stieg ein. Das Wageninnere war eisig kalt. Sie ließ die Klimaanlage auf vollen Touren laufen; der Ledersitz fühlte sich wie ein Eisblock an. Während er die Tür hinter sich schloss,
fuhr sie das Fenster mit einer der Tasten auf der Mittelkonsole wieder hoch.
    »Danke«, sagte er. »Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, dass Sie mich mitnehmen.«
    Sie schwieg. Machte nur eine wegwerfende Bewegung mit der rechten Hand, während sie den Kopf nach links drehte, um über ihre Schulter hinweg den Verkehrsstrom zu beobachten. Die Leute haben ihre Gründe, Anhalter mitzunehmen – jeder einen anderen. Vielleicht sind sie in ihrer Jugend selbst viel per Anhalter unterwegs gewesen und wollen jetzt, da sie etabliert sind und behaglich leben, etwas davon zurückgeben. Eine Art Kreislauf. Vielleicht sind sie mildtätig veranlagt oder auch nur einsam und haben das Bedürfnis, mit jemandem zu reden.
    Aber falls diese Frau sich unterhalten wollte, hatte sie es keinesfalls eilig, damit zu beginnen. Sie wartete einfach ab, bis ein paar Sattelschlepper vorbeigebrummt waren, und fuhr dann wortlos an. Reacher sah sich in dem Wagen um: ein Cadillac, zweitürig, endlos lang, sehr luxuriös. Vielleicht schon ein paar Jahre alt, aber sehr gepflegt. Das Leder war isabellfarben, und die Scheiben waren getönt wie eine leere französische Weinflasche. Auf dem Rücksitz lagen eine Handtasche und ein schmaler Aktenkoffer. Die schwarze Lederhandtasche sah aus wie aus Kunststoff, der Aktenkoffer hingegen war aus abgewetztem Rindsleder – die Art Tasche, die schon alt aussieht, wenn man sie kauft. Er stand etwas offen, und in seinem Innern lag ein dicker Stapel Akten wie aus einer Anwaltskanzlei.
    »Fahren Sie den Sitz zurück, wenn Sie wollen«, forderte die Frau ihn auf. »Machen Sie’s sich bequem.«
    »Danke«, sagte er wieder.
    In der Türverkleidung waren Tasten mit Kissensymbolen eingelassen. Als Reacher daran herumprobierte, fuhren leise summende Motoren ihn nach hinten und verstellten die Rückenlehne.
Dann senkte er seinen Sitz ab, um von außen möglichst unauffällig zu wirken. Die Elektromotoren summten wieder. Er kam sich vor wie auf einem Zahnarztstuhl.
    »Das sieht schon besser aus«, sagte sie. »Viel bequemer für Sie.«
    Ihr eigener Sitz befand sich dicht am Lenkrad, denn sie war nicht sehr groß. Er wandte sich ihr ein wenig zu, um sie mustern zu können, ohne sie direkt anzustarren. Sie war klein und schlank, hatte schwarzes Haar und einen grazilen Körperbau. Insgesamt eine zierliche Person. Weniger als fünfzig Kilo leicht, schätzungsweise dreißig Jahre alt. Lange schwarze Locken, schwarze Augen, kleine weiße Zähne, die sichtbar wurden, wenn sie halb lächelte. Mexikanerin, vermutete er, aber nicht der
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