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In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
Autoren: Lee Child
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Texas-istecht-groß-Scheiße kannte schließlich jeder. Das hatte sie
schon immer gewusst. Aber in dem Reiseführer stand auch, dass Texas in der Breite länger ist als die Strecke New York- Chicago. Diese Information war beeindruckender. Und sie unterstrich, weshalb sie eine so lange Fahrt vor sich hatten, nur um von einem texanischen Nest zu einem anderen zu gelangen.
    Aber der Wagen war leise, kühl und bequem, und unterwegs konnte man sich ebenso gut entspannen wie in einem Motelzimmer. Schließlich hatten sie noch etwas Zeit totzuschlagen.
     
    Die Frau fuhr langsamer, bog erst halb rechts in Richtung New Mexico, dann nach einer Meile links ab und lenkte den Wagen genau nach Süden, in Richtung Mexiko.
    »Ist Pecan also sehenswert?«, fragte Reacher in die Stille hinein.
    »Pecos«, korrigierte sie ihn.
    »Richtig, Pecos.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Mir gefällt’s«, meinte sie. »Dort leben hauptsächlich Mexikaner, deshalb fühle ich mich wie zu Hause.«
    Ihre rechte Hand umfasste das Lenkrad fester. Er sah, wie die Sehnen unter der Haut spielten.
    »Mögen Sie Mexikaner?«, fragte sie.
    Diesmal zuckte er mit den Schultern. »Nicht mehr und nicht weniger als andere Leute auch, denke ich.«
    »Sie mögen keine Leute?«
    »Kommt darauf an.«
    »Mögen Sie Honigmelonen?«
    »So wie jedes andere Gemüse.«
    »In Pecos wachsen die süßesten Melonen von ganz Texas«, sagte sie. »Und deshalb nach Ansicht der Einheimischen die süßesten Melonen der ganzen Welt. Im Juli gibt’s dort auch ein Rodeo, aber das haben Sie für dieses Jahr verpasst. Und
unmittelbar nördlich von Pecos liegt Loving County. Haben Sie schon mal davon gehört?«
    Er schüttelte den Kopf. »Bin zum ersten Mal in Texas.«
    »Das ist das am dünnsten besiedelte County der Vereinigten Staaten«, sagte sie. »Na ja, wenn man ein paar Gebiete in Alaska nicht mitzählt. Aber nach Pro-Kopf-Einkommen gerechnet auch das reichste. Die Einwohnerzahl beträgt nur hundertzehn Seelen, aber dort fließen vierhundertzwanzig Ölquellen.«
    Er nickte. »Gut, dann setzen Sie mich in Pecos ab. Klingt nicht schlecht, finde ich.«
    »Früher war es eine richtige Wildweststadt«, erklärte sie. »Das ist natürlich schon lange her. Die Texas and Pacific Railroad hat dort einen Halt eingerichtet. Also hat’s dort Saloons und alles andere gegeben. Pecos war damals ziemlich berüchtigt. Der Stadtname ist sogar als Verb benutzt worden: Jemanden ›pecossen‹ bedeutete damals, ihn zu erschießen und in den Pecos River zu werfen.«
    »Machen sie das noch immer?«
    Sie lächelte wieder. Ein anderes Lächeln. Schalkhaft. Es ließ sie weniger angespannt wirken und machte sie noch anziehender.
    »Nein, in letzter Zeit weniger«, sagte sie.
    »Stammt Ihre Familie aus Pecos?«
    »Nein, aus Kalifornien«, antwortete sie. »Ich bin erst nach meiner Heirat nach Texas gekommen.«
    Red weiter , ermahnte er sich. Schließlich hat sie dich gerettet .
    »Schon lange verheiratet?«, fragte er.
    »Nicht ganz sieben Jahre.«
    »Lebt Ihre Familie schon lange in Kalifornien?«
    Sie lächelte wieder. »Länger als jeder Kalifornier, das steht fest«, antwortete sie.
    Vor ihnen lag eine weite, leere Ebene, und als sie etwas
mehr Gas gab, schien der Wagen die schnurgerade Straße in sich hineinzufressen. Der wolkenlose Himmel sah durch die Tönung der Windschutzscheibe flaschengrün aus. Die beiden Thermometerskalen am Instrumentenbrett zeigten, dass die Temperatur außen dreiundvierzig und innen sechzehn Grad betrug.
    »Sind Sie Anwältin?«, fragte er.
    Sie schien einen Augenblick verwirrt, aber dann begriff sie, wie er darauf kam, und machte einen langen Hals, um ihren Aktenkoffer im Rückspiegel zu betrachten.
    »Nein«, sagte sie. »Ich bin Klientin eines Anwalts.«
    Dann stockte das Gespräch wieder. Sie wirkte nervös, und er war leicht verlegen.
    »Und was sind Sie sonst noch?«, wollte er wissen.
    Sie überlegte kurz. »Jemandes Ehefrau und Mutter«, entgegnete sie. »Und auch jemandes Tochter und Schwester. Und ich halte ein paar Pferde. Das ist alles. Was sind Sie?«
    »Nichts Besonderes«, erwiderte Reacher.
    »Sie müssen irgendetwas sein«, beharrte sie.
    »Nun, früher war ich schon etwas«, sagte er. »Ich war jemandes Sohn, jemandes Bruder und jemandes Freund.«
    »Das waren Sie?«
    »Meine Eltern sind tot, mein Bruder ist tot, meine Freundin hat mich verlassen.«
    Nicht gerade eine Erfolgsstory , dachte er. Sie äußerte sich nicht dazu.
    »Und ich besitze keine
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