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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen
Autoren: David Ellis
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und sie zieht ihr eins über den Schädel. Trifft das so weit zu?«
    Eine Träne rinnt unter ihrer Sonnenbrille hervor. Sie wischt sich das Gesicht ab, die Mundwinkel nach unten gezogen, verharrt aber ansonsten bewegungslos.
    »Sehen Sie mir in die Augen«, sage ich, »und überzeugen Sie mich, dass das bisher Gesagte zutrifft.«
    Sie starrt zu Boden. Sie hustet kurz, schnieft, räuspert sich. Nach einer Weile setzt sie ihre Sonnenbrille ab und fixiert mich aus feuchten roten Augen.
    »Okay«, sage ich. »Und es gab nie eine Schwangerschaft. Keine Abtreibung. Das waren nur nahe liegende Vermutungen. Der Einbruch ins Sherwood Executive Center. Alle dachten, der Schwangerschaftstest, die Abtreibungsunterlagen oder ein Vaterschaftstest sollten gestohlen werden. Aber das war alles Unfug, richtig?«
    Sie sagt kein Wort.
    »Immerhin wirkte es plausibel«, sage ich. »Evelyn Pendry ging davon aus. Die Cops gingen davon aus. Zum Teufel, sogar ich ging davon aus.« Ich atme tief durch. »Und dann habe ich es Ihnen auf die Nase gebunden, als ich Sie am See besuchte.«
    Sie ist clever genug, um zu schweigen.
    »Und kaum hatte ich Ihnen von diesem Verdacht erzählt«, fahre ich fort, »machten Sie Gebrauch davon. Sie und Natalia richteten Ihre Version der Geschichte danach aus. Am nächsten Tag tauchten Sie beide freiwillig bei uns auf und erzählten uns von Cassie Bentleys Schwangerschaft und ihrer Abtreibung. Sie wollten, dass wir daran glauben. Aus dem einfach Grund, weil es Professor Albany schuldig wirken ließ. Denn das war von Anfang an Natalias Plan für den Notfall, oder? Es Professor Albany in die Schuhe zu schieben. Aber das war alles nur Lüge. Korrekt?«
    Ihre Augen fixieren einen unbestimmten Punkt, als denke sie über eine Antwort nach.
    »Die Wahrheit«, fordere ich. »Überzeugen Sie mich, dass ich hier das Richtige tue.«
    Ihr Lachen hat einen bitteren Unterton. »Das Richtige. Sie glauben zu wissen, wer Cassie ermordet hat …«
    »Nein, so funktioniert das nicht«, sage ich.
    Sie mustert mich aufmerksam, den Kopf leicht zur Seite geneigt, mit schmalen Augen. Langsam kapiert sie, wie der Hase läuft. Die Mauern dieses prachtvollen Anwesens beginnen sich um sie zu schließen.
    Sie erhebt sich von der Liege, dreht sich in alle Richtungen, als suche sie Schutz vor dem, was da auf sie zukommt.
    Schließlich wendet sie sich mir zu und sieht mich jetzt offenbar in einem anderen Licht. Neu erwachter Respekt. Neu erwachte Furcht.
    »Hat es Ihnen gefallen, was Leo mit Shelly veranstaltet hat?«, frage ich. »Die Kettensäge? Das arme Mädchen in der Badewanne?«
    Sie wendet den Blick ab. Immer noch keine Antwort, aber die Ironie des Ganzen dürfte ihr nicht entgangen sein. Alte Gewohnheiten sind nicht totzukriegen, muss sie gedacht haben.
    Zugegebenermaßen habe ich eine ganze Weile gebraucht, um draufzukommen. Aber irgendwann ist es mir gelungen, die Verbindungslinien zwischen den Punkten zu ziehen.
    Nummer eins war der Mord in der Badewanne – die nicht identifizierbare Masse aus Fleisch und Knochen.
    Dann Koslenkos Brief: Wenn du mitspielst, wird sie ebenfalls leben.
    Ebenfalls leben. Wie in: so, wie auch andere weiterlebten.
    Und nicht zuletzt war da Koslenkos Erklärung dafür, wie Ciancio alles herausgefunden hatte: In dieser Nacht im Sherwood Executive Center hatte Ciancio Koslenko seinen Schlüssel übergeben und ihm so den Diebstahl ermöglicht. Ciancio schöpfte erst Verdacht, als kurz darauf die Polizei im Gebäude auftauchte, um im Burgos-Fall zu ermitteln.
    Aber es gab nur einen Grund, warum die Polizei nach dem Fund der Leichen dort erschien.
    »Vor ein paar Wochen«, sage ich, »habe ich mich mit Harland unterhalten. Wir waren auf der Suche nach den Hintergründen des Einbruchs in das Sherwood Executive Center. Ich habe ihn gefragt, ob die Ärzte seiner Tochter in dem Gebäude praktizierten. Wissen Sie, was er mir geantwortet hat?«
    Sie erstarrt. Sie hat natürlich keine Ahnung, aber sie scheint sehr interessiert.
    »Ich ging davon aus, er hätte sich nicht die Bohne für die medizinische Versorgung seiner Tochter interessiert. Aber das war nicht der Fall. Er konnte sich daran erinnern, sie als Kind zu einem Zahnarzttermin begleitet zu haben.«
    Ihr Gesicht verzieht sich. Eine frische Träne fällt. Ihre Schultern beginnen leise zu zittern.
    »Und Sie haben auch dazu beigetragen, mich auf die Spur zu bringen«, teile ich ihr mit. »Indem Sie Cassies Reaktion beschrieben, als ihr Vater das Apartment von
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