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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen
Autoren: David Ellis
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Ebenso wie ich den Unterschied kenne zwischen dem Gefühl, gemocht oder wirklich geliebt zu werden.
    Ich ziehe mich aufs Zimmer zurück, wo mir ihr schmerzhaftes, aber ehrliches Schweigen noch lange nachhängt.
     
    Ich trete hinaus auf die Hotelveranda, unter dem Arm eine Akte, die ich mir aus der Kanzlei mitgebracht habe. In vier Wochen vertrete ich einen Mandanten in einem Betrugsprozess. Mit den Vorbereitungen bin ich etwas in Verzug, aber das stört mich nicht. Dieser Teil der Arbeit macht mir immer am meisten Spaß – die Strategie entwerfen, die Umsetzung planen. Es ist ein Spiel, ein Wettkampf, irgendwas zwischen Kontaktsport und Theater. Vermutlich würde mein Klient die Strafe verdienen. Wohlmeinend betrachtet, hat er die Augen verschlossen, während seine leitenden Angestellten ein riskantes Spiel betrieben und gegen die Auflagen der Aufsichtsbehörden verstießen. Weniger wohlmeinend gesehen, hat er die illegalen Aktionen selbst initiiert und gesteuert.
    Aber ich schätze, er wird straffrei ausgehen. Wir werden argumentieren, dass er nichts von den Vorgängen wusste und auch keinen Einblick haben konnte. Ihr Hauptzeuge ist ein zwielichtiger Typ, dem das FBI einen Handel angeboten hat, wenn er gegen meinen Klienten aussagt. Er hat die staatlichen Ermittlungsbehörden schon einmal belogen und das auch zugegeben, außerdem scheint er ein Problem mit illegalen Wetten zu haben. Ich werde ihn vor der Jury in Stücke zerreißen und genug Staub aufwirbeln, um das Bild zu verschleiern.
    Denn darin besteht mein Job: Das Bild zu verschleiern, unscharf zu machen, den Fall der Staatsanwaltschaft zu untergraben, die Zeugen der Anklage als unsympathisch und unglaubwürdig hinzustellen, während mein Klient friedlich dasitzt und freundlich lächelnd schweigt. So läuft das Spiel. Es dreht sich ums Gewinnen. Nicht um die Wahrheit. Es gehört nicht zu meinem Job, die Wahrheit rauszufinden.
    Früher mal war das mein Job. Aber ich werde nie wieder als Staatsanwalt arbeiten.
    Ich lehne mich über die Brüstung der Veranda, der warme Wind fängt sich unter meinem T-Shirt, und Sonnenstrahlen wärmen mein Gesicht, während Bilder von Leo Koslenko, den Opfern von Mansbury und ganz besonders von Terry Burgos durch meinen Kopf ziehen. Ich muss daran denken, wie er an den elektrischen Stuhl gefesselt dasaß, dicklich und ungepflegt, und mir in die Augen starrte, als der Vollzugsbeamte verkündete, Burgos wolle keine letzten Worte mehr sprechen.
    Ich bin nicht der Einzige, waren die letzten Worte, die seine Lippen formten. Zitierte er einfach nur Tyler Skyes Song? Oder ahnte ein Teil seines Gehirns, dass er die Wahrheit sagte?
    Ich ziehe mein Handy heraus. Die Nummer ist einprogrammiert, auf Verlangen des Gouverneurs. Eigentlich hatte ich vor, sie nie zu benutzen.
    Ein Assistent geht dran, der mich gleich durchstellt.
    Gouverneur Trotters erste Reaktion ist Besorgnis. Ich beruhige ihn und erzähle ihm, dass es uns gut geht, Shelly die Auszeit genießt und sich gerade massieren lässt. Wir plaudern ein wenig über dies und das, obwohl wir beide wissen, dass ich nicht anrufe, um mir die Zeit zu vertreiben.
    Als eine kleine Pause entsteht, räuspere ich mich.
    »Ich habe Ihren Vorschlag umgesetzt, Paul«, sagt er, »und ein Wort für Detective McDermott eingelegt. Ich denke, er kann bald mit einer Beförderung rechnen.«
    »Das weiß ich sehr zu schätzen, Lang. Vielen Dank.«
    »Aber deswegen haben Sie mich nicht angerufen«, fügt er hinzu. »Und auch nicht, um mich um Shellys Hand zu bitten.«
    »Nein«, erwidere ich, ohne darauf einzugehen, wie recht er damit hat.
    »Und Sie wollen mich vermutlich auch nicht darum bitten, ein gutes Wort bei Harland für Sie einzulegen.« Er lacht. »So wie es sich anhört, will er, dass ich für ihn ein gutes Wort bei Ihnen einlege.«
    Bevor Shelly und ich in Urlaub fuhren, tauchte Harland bei mir im Büro auf. Es war das erste Mal, dass er sich zu mir bemühte. Er entschuldigte sich dafür, mir während des Burgos-Falls Informationen vorenthalten zu haben. Er fragte mich, ob ich weiterhin sein Anwalt bleiben wollte. Er bräuchte mich und würde sämtliche Bedingungen akzeptieren.
    Ich bilde mir nicht ein, der einzige Anwalt zu sein, der Harlands Rechtsvertretung übernehmen kann. Als Repräsentant an der Spitze mache ich keine schlechte Figur, und wenn nötig, schreite ich auch selbst ein, aber viele andere Anwälte könnten diese Arbeit ebenso gut erledigen und in die Führungsrolle
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