Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen!
Autoren: Simon Rich
Vom Netzwerk:
Atem. Versehentlich berührte er ihre Lippen mit dem Daumen, und sie hielt ihn einen Augenblick dort fest. Als sie ausatmete, sah er, wie ihr Atem durch seine Finger kroch.
    »Tut mir leid, dass ich dich so spät vom Schlafen abhalte«, flüsterte er.
    »Ist doch gar nicht spät«, erwiderte sie. »Ist noch nicht mal Mitternacht.«
    Sie drückte seine Hand, und zum ersten Mal blickte er ihr direkt in die Augen.
    »Ich mag dich«, sagte er.
    Sie lachte. »Ich mag dich auch.«
    »Nein, ich meine …« Er sah sich hilflos um. »Was ich eigentlich meine, ist …«
    Es donnerte ein paarmal, ein Donnerschlag nach dem anderen, und plötzlich wurde auch der Schneesturm wieder heftiger. Die Überdachung knirschte und ächzte unter der Last des Schnees.
    Sam schloss die Augen, suchte noch nach der richtigen Formulierung. Er wollte sie gerade wieder öffnen, als er Lauras Lippen auf seinen spürte. Vorsichtig küsste er sie und öffnete ängstlich die Augen.
    Sie lachten verlegen – und küssten sich erneut, diesmal weniger ängstlich, Lauras Zunge wagte tapfer einen Vorstoß durch Sams geöffnete Lippen.
    Sam holte tief und langsam Luft. Da war etwas, das er sie unbedingt fragen wollte, aber er fürchtete sich vor der Antwort.
    »Laura?«, flüsterte er. »Magst du Indisch?«
    »Ich liebe Indisch«, sagte sie, und ihre Augen strahlten vor Begeisterung.
    Sam war so erleichtert, dass er sie abermals küsste.
    »Komm, wir holen uns was«, sagte er. »Jetzt sofort.«
    »Hat denn noch irgendwas auf?«
    »Das nicht«, sagte Sam höflich. »Aber ich bin so was wie eine große Nummer drüben im Bombay Palace.«
    »Wir können uns was zum Mitnehmen holen und Bizarre Bodies gucken!«, platzte es aus Laura heraus. Es war ihr sofort peinlich, aber Sam nickte bereits und nahm sie an der Hand. Plötzlich hatte es auch aufgehört zu schneien. Die beiden spazierten stolz die Straße entlang.
    Es war 00:01 Uhr, ein neuer Tag hatte begonnen.

Epilog
    • • • • • •

»Ich schreibe keine neuen Schilder«, sagte Raoul.
    »Musst du auch nicht«, versprach Gott. »Die Erde geht nicht mehr unter.«
    Raoul stöhnte und rieb sich den nackten Bauch. Er lag mitten auf einem Golfplatz, umgeben von leeren Likörweinflaschen.
    »Das hättest du mir gestern sagen sollen«, meckerte er. »Wenn ich gewusst hätte, dass ich heute Morgen noch lebe, hätte ich niemals so bei Taco Bell reingehauen.« Er schüttelte den Kopf. »Mir ist schlecht.«
    Gott nickte mitfühlend. »Das ist meine Schuld«, sagte er. »Ich musste meine Pläne in letzter Sekunde ändern.«
    »Warum?«
    »Hab eine Wette verloren.«
    Raoul nickte, zufrieden mit der Begründung.
    »Tut mir leid, Raoul. Muss öde sein da unten.«
    Raoul zuckte mit den Schultern. »Ach, so schlecht ist es nicht. Irgendwie gefällt’s mir.«
    »Wirklich?«
    »Ja, ist ein guter Planet. Weißt du, was ich mag? Das Obst.«
    Gott errötete. »Die Idee mit dem Obst war von mir.«
    Raoul nickte. »Danke.«
    Gott lächelte fröhlich. »Gern geschehen!«
    Er legte seine Füße auf den Schreibtisch und lachte. Vielleicht hatte Raoul recht? Vielleicht war die Erde gar nicht so nutzlos, wie er dachte? Er hatte nicht damit gerechnet, dass diese Loser in New York zusammenkamen. Doch als er gerade seinen Vernichtungsbefehl geben wollte, hatte ihn Vince gebeten, noch ein letztes Mal nach den beiden Menschen zu sehen. Gott hatte fast seinen Nacho verschluckt, als er sie mitten auf dem Bürgersteig stehen und knutschen sah. Der Kuss war schlabberig – aber es war ein Kuss –, und Gott blieb keine andere Wahl, als die Zerstörung des Planeten abzusagen. Einerseits war er enttäuscht, andererseits aber auch insgeheim erleichtert. Es gab einiges an der Menschheit, das er vermisst hätte.
    »Weißt du was?«, sagte er zu Raoul. »Ich hab doch noch eine Nachricht an die Menschen.«
    Raoul zog einen Stift aus der Unterhose. »Bin ganz Ohr.«
    »Ich möchte, dass du ein großes Schild machst, größer als alle anderen, die du bisher gemacht hast. Und ich will, dass darauf steht: ›Gott liebt euch‹.«
    »War’s das?«
    Gott nickte bestimmt. »Das war’s.«
    Er lächelte, während sein Prophet den Satz auf einen auseinandergefalteten Pappkarton malte.
    »Ich werd’s den Leuten unter die Nasen halten«, sagte Raoul. »Und sie dabei anschreien oder so.«
    »Super«, sagte Gott. »Du bist der Beste.«
    Aus dem Augenwinkel sah er seinen Zauberwürfel immer noch in seinem hölzernen Papierkorb liegen.
    Er zögerte einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher