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In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen!
Autoren: Simon Rich
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zu.«
    »Dann musst du einen Schritt auf sie zugehen«, sagte Raj. »Sonst bringe ich dir nichts mehr zu essen.«
    Sam ballte die Fäuste und stampfte wie ein trotziges Kind mit dem rechten Fuß auf.
    »Das ist nicht lustig«, heulte er. »Ich hab echt Hunger.«
    Rajs Augen verengten sich. »Ich bleibe hart wie Stein.«
    Sam warf frustriert die Hände in die Höhe. »Na schön!«, sagte er. »Na schön. Ich schicke ihr eine SMS .«
    »Was ist › SMS ‹?«, fragte Raj und sprach das ihm unbekannte Wort voller Verachtung aus.
    »So kommuniziert man heute.«
    »Ein Mann kommuniziert so nicht.«
    »Okay«, nuschelte Sam. »Herrgott noch mal! Dann rufe ich sie an. Ich frage sie, ob sie wieder mit mir ausgehen will.«
    »Das reicht nicht.«
    Sam schnappte nach Rajs Tüte, und Raj schlug ihm überraschend heftig auf die Finger.
    »Du musst persönlich zu ihr gehen.«
    »Wahrscheinlich schläft sie jetzt!«
    »Du musst es versuchen. Sonst gibt es kein Essen. Kein Vindaloo, kein Naan …«, seine Augen wurden zu Schlitzen. »Keine Sauce, keine grüne und auch keine rote.«
    Sam schüttelte erschöpft den Kopf. Er war vor lauter Hunger so geschwächt, dass er kaum den Kopf gerade halten konnte, und außerdem war er noch vom Gin benebelt.
    »Ich hab nicht mal eine Hose an.«
    Raj verschränkte die Arme. »Dann wird’s Zeit, dass du eine anziehst!«
    Sam wankte die Ludlow hinauf, schloss seine Gürtelschnalle im Gehen. Nach einigen Minuten erhitzter Diskussion hatte er sich mit Raj auf einen Kompromiss geeinigt. Er würde bis vor Lauras Haus gehen und ihr von dort eine SMS schicken (»Das ist wie ein Telegramm«, hatte er Raj weisgemacht). Wenn Laura noch wach war, würde er sie bitten, nach unten zu kommen, und ihr Hallo sagen. Ansonsten würde er direkt wieder nach Hause gehen. So oder so war das Essen gratis, einschließlich zweier Portionen Knoblauch-Naan als Belohnung für seine Mühe.
    Der Weg war so kurz, dass er erst gar keine Jacke angezogen hatte. Doch als er durch die Oktobernacht ging, bereute er seine Entscheidung. Der leichte Schneefall – der für die Jahreszeit schon seltsam genug war – hatte sich erneut zum Schneesturm gesteigert. Er blieb kurz stehen und blickte in den Himmel. Der Schnee fiel heftig und dicht.
    Sam überlegte, ob er kneifen sollte. Laut der Anzeige seines Handys war es 23:57 Uhr – was bedeutete, dass er seit gut fünf Minuten unterwegs war. Wenn er jetzt zurückging, hätte Raj keinen Anlass zu vermuten, dass er gar nicht bis zu Lauras Haus gegangen war.
    Der Plan hatte nur einen Haken: Raj würde ihm niemals glauben. Er hatte ihn noch nie im Leben erfolgreich angelogen. Sam holte tief Luft und ging weiter, hielt sich schützend den Unterarm vors Gesicht.
    Laura saß am Fenster und schminkte sich ab. Sie war erleichtert, dass es fast Mitternacht war. Gleich würde eine neue Folge von Bizarre Bodies im Fernsehen gezeigt.
    Sie war gerade auf dem Weg zur Couch, als sie es am Fenster klopfen hörte. Sie nahm an, es sei ein Hagelkorn gewesen, doch ein zweites Klopfen ließ sie nach draußen spähen. Ein Mann stand bibbernd und völlig zugeschneit unter dem Vordach und warf Eisklumpen an ihr Fenster. Sie überlegte, ob sie die Polizei rufen sollte, doch dann erkannte sie Sams Gesicht im Licht einer Straßenlaterne. Er winkte ihr ungelenk, und sie rannte zur Tür. Es war 23:58 Uhr.
    »Dein Handy war aus«, erklärte Sam, seine Stimme zitterte vor Kälte. »Aber ich hab dich am Fenster gesehen … deshalb … hab ich Eisklumpen geworfen.«
    »Was machst du denn bei mir auf der Straße?«, fragte sie.
    »Raj hat gesagt, ich muss kommen«, stotterte er durch klappernde Zähne. »Sonst krieg ich nichts zu essen.«
    »Was?«
    Sam räusperte sich. »Ich hab dich noch nie zum Essen eingeladen!«, sagte er allmählich wieder zu sich kommend. Er musste schreien, um sich im pfeifenden Wind verständlich zu machen.
    »Oh!«, sagte sie lachend. »Das musst du nicht! Ich meine, es sei denn, du möchtest.«
    »Na ja, ohne Essen ist es kein richtiges Date.«
    Sie lächelte schüchtern. »War das … ich meine, hatten wir ein Date?«
    Sam blickte auf seine Füße. »Ich weiß nicht, war’s eins?«
    In der Ferne donnerte es, gefolgt vom Krachen eines unter der Schneelast umstürzenden Baumes. Sam fiel auf, dass Laura jetzt ebenfalls mit den Zähnen klapperte, genau wie er. Instinktiv rieb er ihre Schultern, versuchte, sie vor der Kälte zu schützen. Sie nahm seine Hand und blies darauf, wärmte sie mit ihrem
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