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In goldenen Ketten

In goldenen Ketten

Titel: In goldenen Ketten
Autoren: Carter Brown
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aus dem Sanatorium geflohen sind?« fragte ich
verzweifelt. »An irgend etwas — an Gesichter —
Stimmen? An die Kleidung, die die anderen trugen?«
    »Bruchstücke.« Ihre Augen
blinzelten plötzlich. »Ray? Ist er in Sicherheit?«
    »Er ist sicher«, beruhigte ich
sie.
    »Das ist gut«, murmelte sie.
»Dann muß jemand Ross abgehalten haben, ihm etwas anzutun?«
    »Ross Mitford ist tot«, sagte
ich brutal. »Jemand hat eine Schere in seinen Rücken gestoßen und ihn
umgebracht.«
    Erneut drang dieser Wimmerlaut
tief aus ihrer Kehle. »Ich war’s nicht!« Ihre Augen schlossen sich fest, und
ihre Finger umklammerten mit verblüffender Kraft meinen Arm. »Ich kann es doch
nicht getan haben — nicht schon wieder? Aber ich erinnere mich an einen Wagen
und eine lange Fahrt—«
    »Vom Sanatorium aus?«
    »Nein, später. Dann der
schreckliche Geruch des Orts, an dem wir hielten und an dem sie mich in ein
Zimmer trugen.« Sie schauderte leicht. »Es war entsetzlich, dieses Zimmer.
Überall lauerte der Tod darin, und dann — irgendwie — lag ich auf dem Boden,
und Ross’ Gesicht starrte in meines. Aber sein Ausdruck änderte sich überhaupt
nicht.« Ihre Augen öffneten sich weit, und sie starrte mich mit erschreckender
Eindringlichkeit an. »Ich kann ihn nicht umgebracht haben, das weiß ich! Alles,
was ich tun wollte, als ich aus dem Sanatorium weggerannt bin, war, zu Ray zu
kommen und ihn wegen Ross zu warnen. Er mußte wissen, wie man mit einem Mann
wie Ross Mitford fertig wird!«
    »Erinnern Sie sich noch an
sonst etwas?« beharrte ich.
    »Ja!« Das Wort brach förmlich
aus ihrem Mund. »An diese Frau — die blonde —, die sich mit diesem Haß in den
Augen über mich beugte. Und die mir sagte, ich sähe Ray nie wieder, weil man
mich für den Rest meines Lebens einsperren würde. Auf diese Weise würde Ray
völlig ihr gehören — ich wäre nicht mehr als Konkurrenz für seine Zuneigung da —
und dann stieß sie mir eine Nadel in die Haut und lachte lange Zeit, wie mir
schien, bevor sie den Kolben der Spritze durchdrückte.«
    »Ich trage Sie hinaus in meinen
Wagen und bringe Sie dahin, wo man sich um Sie kümmert und wieder gesund
macht«, sagte ich.
    »Sehen Sie, Freund?« Ihre
Stimme schwankte. »Es muß alles irgendwo tief in meinem Innern verschlossen
gewesen sein.«
    »Ja«, sagte ich, hob sie wieder
in meinen Armen hoch und trug sie zum Wagen hinaus.
    »Wenn ich mich nur an das erstemal erinnern könnte, als es geschehen ist?« Ihre Augen
schlossen sich plötzlich, und ihr Kopf fiel gegen die Rücklehne des Sitzes
zurück.
    Ich kehrte in die Hütte zurück
und sah mich dort noch einmal sorgfältig um, konnte jedoch nichts von Wert
finden und löschte die Öllampe. Carmen Colenso bewegte sich unruhig neben mir, als wir die Einbiegung erreichten. »Unter der
Oberfläche sind sie alle böse«, sagte sie mit klarer Stimme. »Alle, außer Ray
natürlich. Wissen Sie, warum Tyler mich so sehr gehaßt hat? Weil ich wußte, daß er die ganze Zeit über seinen Vater bestohlen hat,
deshalb! Es war nur eine kleine, erbärmliche List, nichts daran war clever.«
    »Wie hat er es gemacht?« fragte
ich leichthin.
    »Er hat absichtlich übermäßig
viel Ware bestellt, von der er wußte, daß sie schwarz leicht abzusetzen war«,
antwortete sie. »Dann wandte er das ganze kunstvolle System an, das geeignet
war, alle Leute so zu verwirren, daß niemand die Ursache des Verschwindens bis
zum Ursprung zurückverfolgen konnte. Tyler vernichtete einige Warenrechnungen —
fälschte andere — und ebenso die Lieferscheine für die Lastwagenfirmen... aber
er wurde beinahe erwischt, als er zu gierig wurde und sich dabei übernahm.«
    »Was geschah?«
    »Es war im Sommer
achtundsechzig — im Juni, glaube ich. Da kamen diese fünf Ballen sehr teuren,
importierten Webstoffs. Einer von Tylers kriminellen Freunden hatte einen
Käufer, der auf die ganze Sendung wartete, und Tyler konnte der Verlockung
nicht widerstehen, schnell zu viel Geld zu kommen. Aber irgend
etwas passierte dabei. Die Sendung sollte gar nicht erst das Lager
erreichen; aber sie gelangte doch dorthin, und einer von Mr. Warren seniors Lageraufsehern war zufällig zu dem Zeitpunkt, als
die Ballen eintrafen, dort, was Tyler nicht wußte. Und so ließ er sie in
derselben Nacht wieder verschwinden. Danach stellte der Lageraufseher natürlich
am nächsten Tag peinliche Fragen. Tyler schnappte fast über vor Angst, er könne
erwischt werden. Schließlich bezahlte er den
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