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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen
Autoren: Anne Perry
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hatte sie geheiratet, ohne über die Annehmlichkeiten des häuslichen Lebens nachzudenken. Hätte er es getan, so wäre Hester gewiss nicht die Frau seiner Wahl gewesen! Bei diesem Gedanken musste er unbewusst lächeln. Man konnte nie vorhersehen, was die Zukunft bringen mochte. Vielleicht würde er in einigen Jahren sogar an Kinder denken. Jetzt aber war er ehrlich genug, sich einzugestehen, dass es ihm missfallen würde, wenn Hester ihre Zeit und ihre Gefühle in eine andere Richtung wenden müsste.
    Stourbridge wartete auf eine Antwort.
    »Sie ist ein wenig älter als Ihr Sohn«, sagte Monk, der sich bemühte, den Sachverhalt so beiläufig wie möglich anzusprechen. »Wie viel älter ist sie genau?«
    Eine gewisse Erheiterung blitzte in Stourbridges Augen auf.
    »Neun Jahre«, erwiderte er. »Wenn Sie fragen wollen, ob sie ihm einen Erben schenken könnte, dann ist die Antwort: Ich weiß es nicht. Natürlich sähen wir es gern, wenn Lucius einen Sohn hätte, aber das ist nicht unsere Hauptsorge. Es gibt nie eine Garantie für so etwas, Mr. Monk, ganz gleich, wen man heiratet, und wir haben bei Miriam nie den Eindruck erweckt, dass wir einen Enkel von ihr verlangten.«
    Monk erhob keine Einwände, aber er würde sich selbst davon überzeugen, ob Mrs. Stourbridge die Gefühle ihres Mannes teilte. Bisher hatten seine Fragen nichts zu Tage gefördert, worin er einen Grund für Miriam Gardiners Verschwinden entdecken konnte. Er wünschte, er hätte ein klareres Bild von ihr. Durch die Augen von Lucius und Harry Stourbridge gesehen, war sie die ideale Frau. Hatten diese Männer unter der Oberfläche, die sie so bewunderten, überhaupt etwas von der wirklichen Frau wahrgenommen? Hatte es überhaupt Sinn, Harry Stourbridge nach mehr als den nackten Tatsachen zu fragen?
    »War dies Mrs. Gardiners erster Besuch in diesem Haus?«, fragte er plötzlich.
    Stourbridge schien ein wenig überrascht zu sein.
    »Nein, keineswegs. Sie war etwa ein halbes Dutzend Mal hier gewesen. Wenn Sie denken, wir hätten sie nicht willkommen geheißen, oder der Gedanke, bei uns zu leben, hätte sie mit Unbehagen erfüllt, dann befinden Sie sich im Irrtum, Mr. Monk.«
    »Hätte sie denn hier gelebt, in diesem Haus?«, erkundigte sich Monk, dem plötzlich eine ganze Reihe von Gründen einfielen, warum diese Aussicht ihr vielleicht unerträglich erschienen war. Nachdem sie so lange ihre eigene Herrin gewesen war, mochte der Verlust ihrer Privatsphäre ihr schwer gefallen sein. In Hesters Fall wäre es sicher so gewesen! Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie den größten Teil ihres Lebens unter einem fremden Dach hätte zubringen wollen.
    Harry Stourbridge lächelte.
    »Nein, Mr. Monk. Ich habe Ländereien in Yorkshire, und Lucius liebt das Leben im Norden. Miriam war vor einigen Monaten einmal dort – ich gestehe, das Wetter hat sich bei ihrem Besuch nicht von seiner besten Seite gezeigt –, aber sie war ganz bezaubert von der Gegend und freute sich darauf, dorthin zu ziehen und Herrin ihres eigenen Hauses zu sein.«
    Also war es nicht die Angst vor dem Verlust einer gewissen Freiheit gewesen, die Miriam Gardiner vertrieben hatte. Monk versuchte es noch einmal. »War bei ihrem letzten Besuch hier irgendetwas anders als sonst, Major Stourbridge?«
    »Nicht dass ich wüsste, nur dass alles eine Spur festlicher war.« Sein Gesicht verzog sich vor Kummer, und er senkte die Stimme. »Sie wollten in vier Wochen heiraten. Es sollte eine stille Hochzeit werden, eine reine Familienangelegenheit. Miriam wollte weder eine große Gesellschaft noch allzu hohe Unkosten. Sie fand beides unschicklich und überflüssig. Sie liebte Lucius sehr, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.« Er sah seinen Gast verwirrt an. »Ich weiß nicht, was passiert ist, Mr. Monk, aber sie ist nicht weggegangen, weil sie aufhörte, ihn zu lieben, oder weil sie plötzlich nicht mehr an seine Liebe zu ihr glaubte.«
    Jeder Einwand wäre sinnlos gewesen. Stourbridge war fest von dem überzeugt, was er sagte. Es würde ungemein schmerzlich für ihn werden, falls die Tatsachen erwiesen, dass er sich irrte, und Monk hoffte, dass er nicht derjenige sein würde, der es ihm sagen musste. Er hätte diesen Fall nicht übernehmen dürfen. Er konnte sich keine glückliche Lösung des Rätsels vorstellen.
    »Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Kutscher, James Treadwell«, bat er stattdessen.
    Stourbridge hob seine hellen Augenbrauen. »Treadwell? Ja, ich verstehe, worauf Sie hinaus
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