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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition)
Autoren: Jo Walton
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und deutete auf den McCaffrey.
    »Aus der Bibliothek«, sagte ich. Ich habe die ganze Science-Fiction- und Fantasy-Sammlung in der Bibliothek von Aberdare verschlungen, von Andersons Im Dienst der Erde bis zu Roger Zelaznys Götter aus Licht und Dunkelheit , ein seltsames Buch, über das ich mir noch immer nicht ganz im Klaren bin.
    »Hast du irgendetwas von Delany gelesen?«, fragte er. Er schenkte sich einen Whisky ein und trank einen Schluck. Es roch seltsam, abscheulich.
    Ich schüttelte den Kopf. Er reichte mir einen Ace-Doppelband, der zur Hälfte aus Imperiums-Stern von Samuel R. Delany bestand. Ich drehte das Buch um, weil ich wissen wollte, was die andere Hälfte zu bieten hatte, aber er ließ ein missbilligendes »Ts-ts-ts« hören, und daraufhin sah ich ihn tatsächlich an.
    »Die andere Hälfte ist Mist«, sagte er abfällig und drückte mit viel zu viel Kraft seine Zigarette aus. »Wie steht’s mit Vonnegut?«
    »Alles«, sagte ich selbstsicher.
    » Katzenwiege ?«
    » Frühstück für starke Männer , Geh zurück zu deiner lieben Frau und deinem Sohn ...« Ich spulte die Titel herunter. Er lächelte sichtlich erfreut. Lesen war mir stets ein Trost gewesen, und ich war geradezu süchtig nach Büchern, aber bisher hatte das noch niemanden gefreut.
    »Und Die Sirenen des Titan ?«, fragte er, als ich fertig war.
    Ich schüttelte den Kopf. »Davon habe ich noch nie gehört!«
    Er stellte sein Glas ab, bückte sich, zog ohne lange zu suchen das Buch heraus und legte es auf meinen Stapel. »Und Zenna Henderson?«
    » Wo ist unsere Welt? «, hauchte ich. Das Buch hatte wirklich zu mir gesprochen. Ich liebe es. Niemand sonst, den ich kenne, hat es gelesen. Ich hatte es nicht aus der Bibliothek. Meine Mutter besaß eine amerikanische Ausgabe mit einem Loch im Einband. Ich glaube nicht, dass es eine britische Ausgabe gibt. Henderson stand nicht im Bibliothekskatalog. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass er sie, wenn er mein Vater ist, was er in gewissem Sinne auch ist, vor langer Zeit gekannt hat. Er hat sie geheiratet. Er hatte die Fortsetzung von Wo ist unsere Welt? und zwei Sammelbände mit Erzählungen. Ich nahm sie, wobei ich nicht wusste, was ich von ihm halten sollte. Der Bücherstapel rutschte mir fast aus der Hand. Ich schob alles in meine Tasche, die mir über der Schulter hing, wie immer.
    »Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett und lese«, sagte ich.
    Er lächelte. Er hatte ein nettes Lächeln, ganz anders als wir. Zeit meines Lebens war mir erzählt worden, dass wir ihm ähnlich sehen, aber ich finde das nicht. Wenn er Lazarus Long ist, und wir Laz und Lor sind, dann müsste ich mich doch in ihm wiedererkennen. Aus unserer Familie haben wir niemandem ähnlich gesehen; von der Augen- und Haarfarbe abgesehen, sehe ich allerdings auch keine Übereinstimmung zwischen ihm und uns. Aber das spielt keine Rolle. Ich habe Bücher, neue Bücher, und solange ich Bücher habe, kann ich alles ertragen.

Donnerstag, 6. September 1979
    Mein Vater fuhr mich in die Schule. Auf dem Rücksitz ruhte ein schicker Koffer, den ich noch nie zuvor gesehen hatte und in dem sich, wir mir die Tanten versicherten, alle Uniformen befanden, ordentlich zusammengelegt natürlich. Daneben stand eine Ledertasche mit meinen Schulsachen. Beide waren nicht im Mindesten zerschrammt, also waren sie ganz neu. Bestimmt hatten sie ein Heidengeld gekostet. In meiner eigenen Tasche befand sich alles, womit ich weggelaufen war, und außerdem die Bücher, die ich mir ausgeliehen hatte. Ich hielt sie fest an mich gedrückt, auch als sie versuchten, sie mir wegzunehmen und hinten rein zu tun. Ich nickte ihnen zu, brachte jedoch keinen Ton heraus. Schon seltsam, dass es völlig unmöglich ist, diesen Leuten gegenüber irgendwelche Gefühle zu zeigen, geschweige denn in ihrer Anwesenheit zu weinen. Sie sind nicht meine Familie. Sie sind nicht wie meine Familie. Das klang wie die ersten Zeilen eines Gedichts, und ich hätte sie am liebsten in mein Notizbuch geschrieben. Ich stieg in den Wagen. Was sehr wehtat. Wenigstens hatte ich da genug Platz, um die Beine auszustrecken. Vordersitze sind besser als Rücksitze, das ist mir schon früher aufgefallen.
    Ich brachte ein »Dankeschön« und ein »Auf Wiedersehen« zustande. Die Tanten küssten mich alle auf die Wange.
    Mein Vater sah mich nicht an, während er fuhr, was bedeutete, dass ich ihn von der Seite anschauen konnte. Er rauchte, wobei er sich jede neue Zigarette an der Kippe der vorherigen
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