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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Speigatten dahin. So bekamen wir wenigstens die Brise, die schon gut einen Dollar wert war; doch stellte es sich einige sechsMonate später heraus, daß das Bulletin über meinen Freund in England jeder Grundlage entbehrte. Vielleicht liegt London aber auch außerhalb des Wirkungskreises der Inselgötter.
    Zu Anfang zeigte sich Tembinok' jedem Aberglauben streng abgeneigt, und hätte die Äquator nicht so lange auf sich warten lassen, wir wären vielleicht abgereist in dem guten Glauben, daß er ein Agnostiker sei. Zufällig kam er jedoch eines Tages in unsere Maniap', während meine Frau mit einer Patience beschäftigt war. Sie erläuterte ihm das Spiel so gut sie konnte und schloß ihre Auseinandersetzung mit dem Scherzwort, daß das ihr Teufelswerk sei, und daß die »Äquator«, wenn die Patience aufginge, morgen eintreffen würde. Tembinok' muß tief aufgeatmet haben; also saßen wir doch nicht so ganz auf dem hohen Pferd; er brauchte sich nicht mehr zu verstellen, und sofort machte er sich an eine Beichte. Er vollführe jeden Tag Teufelswerk, gestand er uns, um zu wissen, ob Schiffe zu ihm unterwegs wären; und von nun an teilte er uns jedesmal das Ergebnis mit. Es war erstaunlich, wie häufig er sich irrte, aber stets hatte er eine Erklärung bei der Hand. Ein Schoner läge dicht hinter Sichtweite vor der Insel; entweder war er aber nicht für Apemama bestimmt, oder er hatte seinen Kurs geändert oder er kam aus der Flaute nicht heraus. Ich pflegte den König bei diesen Anlässen, wenn er sich so öffentlich zu belügen suchte, mit Ehrfurcht zu betrachten. Hinter ihm sah ich sämtliche Kirchenväter, Philosophen und Männer der Wissenschaft aus der Vergangenheit; vor ihm alle die, die noch kommen sollten;ihn selbst in der Mitte. Die ganze visionäre Versammlung rang mit der Aufgabe, Ungereimtheiten auszugleichen. Bis zuletzt sprach Tembinok' jedoch nur widerwillig von den Inselgottheiten und ihrem Kult, so daß ich nur wenig über sie erfahren konnte. Taburik ist der Gott des Donners und hat mit Wind und Wetter zu tun. Bis vor kurzem gab es noch Zauberer, die ihn als Blitz vom Himmel herunterzuholen verstanden. »Mein Patah, eh mih sagen, daß eh das sehen: du glauben, eh lügen?« Tienti – ausgesprochen etwa wie »Tschentsch« und von seiner Majestät als der Teufel identifiziert, sendet und heilt die körperlichen Krankheiten. Man ruft ihn durch Pfeifen, nach Art der Paumoter, und er soll dann auch erscheinen, doch hat ihn der König niemals gesehen. Die Ärzte behandeln Krankheiten mit Hilfe von Tschentsch: wobei der eklektische Tembinok' indessen zugleich den »Schmerzenstöter« aus seinem Medizinkasten appliziert, um dem Leidenden beide Chancen zu geben. »Ie glauben, vie bessah so«, bemerkte seine Majestät mit noch mehr als seiner üblichen Selbstzufriedenheit. Anscheinend sind die Götter nicht eifersüchtig: sie erfreuen sich in Gemütsruhe gemeinsamer Heiligtümer und gemeinsamer Priester. So hängen an Tamaitis Medizinbaum die ex Voto zwecks einer günstigen Reise geschenkten Kanoemodelle, die daher Tamburik, dem Wettergott geweiht sein müssen; aber der davorstehende Stein ist von den Kranken zur Besänftigung Tschentschs gestiftet.
    Durch einen außerordentlichen Glücksfall zog ich mir, noch während wir von diesen Dingen sprachen, eineErkältung zu. Ich glaube kaum, daß ich mich je zuvor über eine Erkältung gefreut habe, noch daß ich mich je wieder darüber freuen werde, aber so bot sich mir eine unschätzbare Gelegenheit, die Zauberer während ihrer Arbeit zu belauschen, und ich berief daher die Fakultät von Apemama zu mir. Sie erschien in corpore, alle in ihren Sonntagskleidern und mit Kränzen und Muscheln, den Insignien des Teufelwerkes, behangen. Tamaiti kannte ich bereits: Terutak' – einen großen, hageren, grobschlächtigen, ernsten, schottischen Nordsee-Fischer mit etwas allzu brauner Haut – sah ich zum erstenmal, und noch ein dritter war mit von der Partie, dessen Namen ich nie gehört habe und der Tamaiti als Famulus diente. Tamaiti nahm mich zuerst in Behandlung und führte mich unter angenehmem Geplauder an die Ufer von Fu Bai. Der Famulus bestieg auf der Suche nach grünen Kokosnüssen einen Baum. Inzwischen verschwand Tamaiti selbst im Busch und kehrte mit Kokoszunder, trockenen Blattern und einem Zweig Wachsbeeren zurück. Man setzte mich auf den Stein, den Rücken gegen den Baum, das Gesicht der Windseite zugekehrt; zwischen mich und dem Kieshaufen legte man eine der
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