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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band
Autoren: Robert Louis Stevenson
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rauchend da. »Ie seh tlaulig, daß du gehen«, sagte er schließlich. »Miß Stlevens, eh gute Mann, Flau, eh gute Mann, Junge, eh gute Mann; alle gute Mann. Flau, eh klug ganß wie Mann. Meine Flau (mit einem Blick auf seine Gattinnen) eh gute Flau, niß seh klug. Ie glauben, Miß Stlevens, eh reiche Mann, ganß wie ie. Alle gehen Schona. Ie seh tlaulig. Mein Patah, eh gehen, mein Onkel, eh gehen, mein Vettel, eh gehen. Miß Stlevens, eh gehen: alle gehen. Du niß König sehen weinen bevoh. König tlotzdem wie Mann: eh fühlen schlimm, eh weinen. Ie seh tlaulig.«
    Am Morgen war es allgemeines Dorfgespräch, daß der König geweint hatte. Zu mir sagte er: »Geßten Nacht, ie niß splechen: ßu vieh hieah,« die Hand auf seinen Busen legend, »Nun du gehen foht, ganß wie meine Pamili. Meine Blüdah, mein Onkel gehen foht. Ganß so wie du.« Die letzten Worte wurden in fast leidenschaftlicher Trauer gesagt. Und es war das erstemal, daß ich ihn seinen Onkel hatte nennen, ja, auch nur das Wort hatte aussprechen hören. Noch am gleichen Tage sandte er mir als Geschenk zwei Brustpanzer, nach Inselart schwer und stark, aus Fasern geflochten. Der eine war von Tenkoruti, der andere von Tembaitake getragen worden, und da die Gabe dankbar entgegengenommen wurde, schickte er nach Rückkehr seines Boten noch einen dritten –den Tembinatakes. Meine Neugier wurde wach; ich bat ihn, von den drei Eigentümern zu erzählen, und der König erging sich mit Genuß in den oben geschilderten Einzelheiten. Eine seltsame Sache, daß er so viel von seiner Familiegeredet hatte, ohne ein einziges Mal auch nur den Verwandten zu erwähnen, auf den er am meisten stolz war. Ja, mehr noch: er hatte mit seinem Vater geprahlt; von nun ab hatte er wenig über ihn zu berichten, und die Eigenschaften, deretwegen er ihn bisher gelobt hatte, wurden jetzt dem beigemessen, dem sie gebührten, seinem Onkel. Eine Verwechslung kommt bei Insulanern, die sämtliche Söhne eines Großvaters Vater zu nennen pflegen, sonst häufig genug vor. Aber das war bei Tembinok' nicht der Fall. Nun da das Eis gebrochen war, kehrte das Wort Onkel in seinem Munde immer wieder; er, der sie so bereitwillig verwechselt hatte, unterschied sie jetzt peinlichst, und der Vater sank allmählich zur Rolle des selbstzufriedenen Durchschnittsmenschen herab, der er gewesen war, während der Onkel sich zu der wahren Statur eines Helden und Begründers des Geschlechts aufrichtete.
    Je mehr ich zu hören bekam, je mehr ich überlegte, um so stärker gab mir die Ungereimtheit in Tembinok's Verhalten zu denken. Und die Erklärung, die endlich kam, hätte die Fantasie eines Dramatikers reizen können. Tembinok' hatte zwei Bruder. Der eine, den er darüber ertappte, daß er auf eigene Faust Handel trieb, wurde verbannt und dann begnadigt und lebt jetzt als Vater des künftigen Tronerben, Paul, auf der Insel. Der andere sündigte über jede Verzeihung hinaus. Ich hörte, daß er eine Liebesaffäre mit einer der Frauen des Königs hatte, eine in diesem sonst so romantischen Archipel vollkommen unmögliche Angelegenheit. Man versuchte, gegen Tembinok' Krieg zu führen; aber dieser war zu rasch für die Rebellen, undder schuldige Bruder entfloh in einem Kanoe. Obendrein ging er nicht allein. Tembinatake hatte sich an dem Aufstand beteiligt, und der Mann, der einem Schwächling von einem Bruder ein Königreich gewonnen hatte, wurde von jenes Bruders Sohn verbannt. Die Flüchtlinge gingen auf fremden Inseln an Land, und Tembinok' weiß bis auf den heutigen Tag nicht, was aus ihnen geworden ist.
    So weit die Geschichte. Und hier setzt die Vermutung ein. Tembinok' verwechselte gewohnheitsmäßig nicht nur die Eigenschaften und Tugenden seines Vaters und seines Onkels, sondern auch ihre persönlichen Erscheinungen. Bevor er je von Tembinatake gesprochen hatte oder auch nur daran dachte, von ihm zu sprechen, hatte er mir seinen Vater als einen großen, hageren Mann, geschult in allen Künsten des Krieges und sein eigener Lehrmeister in der Genealogie sowie in den dortigen Künsten geschildert. Wie wenn nun beide seine Väter gewesen wären, der eine sein natürlicher, der andere sein Adoptivvater? Wie wenn der Erbe Tembaitakes, wie der Erbe Tembinok's selbst, nicht der Sohn, aber ein adoptierter Neffe war? Wie wenn der Gründer der Monarchie, während er für seinen Bruder sich mühte, gleichzeitig auch für den Sohn seiner Lenden arbeitete? Wie wenn nach dem Tode Tembaitakes die beiden stärkeren
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