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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band
Autoren: Robert Louis Stevenson
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statuengleiche Unbeweglichkeit, die er bisher gewahrt hatte. Er schaukelte sich auf seiner Matte hin und her, zog abwechselnd das eine und das andere Knie an sich und schlug sich nach Art der Tänzer auf die Brust. Allein er ging als lauteres Gold aus der Feuerprobe hervor und weigerte sich, mit der wenigen Stimme, die ihm noch geblieben war, die Bestechung anzunehmen.
    Jetzt trat ein willkommener Zwischenfall ein. »Geld, das niß Kjanken heilen«, bemerkte sententiös des Königs Schwester. Kaum hatte man mir den Einwurf verdolmetscht, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel und ich mich meines Tuns schämte. Hier war ein krankes Kind, und ich trachtete in Gegenwart seiner Eltern danach, den Medizinkasten zu entfernen. Hier war ein Priester der Religion und ich (ein heidnischer Millionär) verführte ihn zu einem Sakrileg. Hier war ein habgieriger Mensch, der zwischen Geiz und seinem Gewissen hin und her gerissen wurde, und ich saß daneben, weidete mich an dem Anblick und erneuerte wollüstig seine Qualen! Ave, Caesar!Irgendwo in einem Winkel schlummernd aber nicht tot, ruht in uns allen die eine Urleidenschaft: eine embryonale Sucht nach dem Sand und dem Blut der Arena! So brachte ich denn mein erstes und letztes Erlebnis als Millionär zu Ende und ging unter ehrfürchtigem Schweigen hinaus. Nirgends sonst darf ich erwarten, je wieder so bis in alle Tiefen hinein die menschliche Natur aufzurühren – mit Hilfe von fünf Pfund; nirgends sonst, selbst unter Anwendung von Millionen, kann ich hoffen, das Verderbliche des Reichtums so rückhaltlos entschleiert zu sehen. Von allen Zuhörern hatte allein des Königs Schwester die Erinnerung an den Ernst und die Gefahr des Augenblicks gewahrt. Die Augen der anderen glühten, das Mädchen schlug sich in tierischer, sinnloser Aufregung auf die Brust. Dabei hatte man ihnen selbst nichts geboten; sie hatten weder etwas zu gewinnen noch zu verlieren gehabt; allein die Nennung und die Witterung dieser ungeheuren Summen genügten, um den Teufel in ihnen aufleben zu lassen.
    Von dieser seltsamen Verhandlung begab ich mich schnurstracks in den Palast, suchte den König auf, gestand ihm, was ich getan hatte, bat ihn, Terutak' in meinem Namen zu seiner Tugend zu beglückwünschen und noch vor Rückkehr des Schoners einen ähnlichen Kasten für mich anfertigen zulassen. Tembinok, Rubam und eine der Tageszeitungen, den wir unter uns die »Luftige Ecke« getauft hatten – schienen eine Weise an irgendeiner Idee zu arbeiten, die sie endlich nach langem Ringen in Worte faßten. Sie fürchteten, ich wäre der Ansicht, der Kasten könnte mich heilen, während er doch ohne den Zauberer nutzloswar, und wenn ich eine neue Erkältung kommen fühlte, täte ich besser daran, mich auf den »Schmerzentöter« zu verlassen. Ich erklärte ihnen daher, daß ich lediglich den Wunsch hätte, ihn als Andenken an Apemama in meinem »'Aus« aufzubewahren, worauf die ehrlichen Burschen außerordentliche Erleichterung zeigten.
    Spät am gleichen Abend hörte meine Frau auf dem Wege zum Meeresufer aus dem Busch ein Singen. Nichts ist alltäglicher, als zu jener Stunde und an jenem Orte das jubelnde Lied der Palmweinzapfer zu vernehmen, die sich hoch zu Häupten in den Palmen wiegen und dabei unter sich das schmale Band der Insel, die es umschließende weite Ebene des Ozeans und die Flammen des Sonnenuntergangs sehen. Doch jener Gesang war ernsteren Charakters und schien vom Erdboden aufzusteigen. Als meine Frau auf das Dickicht zuschritt, sah sie an einem freien Fleck eine feine Matte ausgebreitet, und in der Mitte einen Kranz weißer Blumen und einen der Teufelskästen. Eine Frau – in der wir ruhig Frau Terutak' vermuten dürfen – saß davor, beugte sich von Zeit zu Zeit über den Kasten wie eine Mutter über eine Wiege und hob dann wieder den Blick und ihre Stimme zum Himmel empor. Ein vorübergehender Palmweinzapfer erzählte meiner Frau, daß sie betete. Wahrscheinlich aber betete sie nicht so sehr, als daß sie Abbitte leistete, oder vielleicht war die Zeremonie auch nur eine Entzauberung. Denn der Kasten war bereits verurteilt; er sollte seinem grünen Medizinbaum, der heiligen Stätte und den frommen Wärtern entrissen werden, um dreiMeere zu durchkreuzen und direkt unter der Narrenkappe der Sankt Pauls Kathedrale zu landen. Dort, hart bei Lillie Bridge, sollte er beheimatet und täglich von einem britischen Zimmermädchen abgestaubt werden. Dort hat er vielleicht das Gebraus von London City
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