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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band
Autoren: Robert Louis Stevenson
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grünen Nüsse, und dann trat Tamaiti (nachdem er zuvor seine Segeltuchschuhe, die ihn peinigten, ausgezogen hatte) zu mir in den magischen Kreis, grub in den Kieshaufen eine kleine Höhlung, in deren Inneres er seinen Scheiterhaufen aufbaute und hielt ein brennendes Streichholz – es war von Bryant und May – daran. Das Feuer wollte nicht anbrennen, und der respektlose Zauberer füllte die Zwischenzeit mit allerlei Geschwätz von fremden Städtenaus – von London und »Aktiengesellschaften«, und wie viel Geld sie besaßen; von San Francisco und den schädlichen Nebeln »ganß wie Rauch«, die ihn fast umgebracht hätten. Vergeblich versuchte ich ihn auf den Gegenstand zu bringen, mit dem er sich jetzt beschäftigte. »Alle Menschen machen Medizin«, sagte er leichthin. Und als ich ihn fragte, ob er selbst ein guter Arzt wäre, erwiderte er noch leichtfertiger: »Ie niß savvy.« Endlich fingen die Blätter Feuer, dem er fortfuhr neue Nahrung zu geben; ein dichter, heller Rauch blies mir ins Gesicht, und die Flammen schlugen mir entgegen und versengten meine Kleider. Inzwischen redete er den Geist an, oder tat doch so, wobei seine Lippen sich lautlos bewegten; gleichzeitig schwang er die Arme durch die Luft und schlug mich zweimal mit seinem grünen Zweige auf die Brust. Sobald die Blätter verbrannt waren, begrub er die Asche, der grüne Zweig wurde in den Kies gebettet, und die Zeremonie war beendet.
    Ein Leser von »Tausendundeine Nacht« würde sich hier vollkommen zu Hause fühlen. Hier war das Räucherwerk, der murmelnde Zauberer; hier der einsame Ort, an den Aladdin von seinem falschen Onkel gelockt wurde. Aber auf diese Dinge versteht man sich am besten in Romanen. Diesmal wurde die Wirkung durch die Leichtfertigkeit des Zauberers, der wie ein liebenswürdiger Zahnarzt seinen Patienten mit allerlei gleichgültigem Geschwätz unterhielt, und durch die unpassende Gegenwart Mr. Osbournes und seiner Kamera gestört. Und was meine Erkältung anbetrifft, so wurde sie weder besser noch schlimmer.
    Darauf wurde ich Terutak' übergeben, dem führendenArzt oder Geheimrat von Apemama. Seine Wohnung liegt auf der Lagunenseite der Insel, hart neben dem Palaste. Ein etwa zwei Fuß hohes Holzgeländer umschließt hier wie bei der Betstätte des Königs, einen länglichen Kiesplatz in dessen Mitte ein grüner Baum wächst. Darunter stehen auf einem Tisch zwei, mit einer feinen Matte bedeckte Kästen, und vor ihnen wird täglich eine Kokosnuß, ein Stück Taro oder ein Fisch als Opfer niedergelegt. Auf beiden Seiten der Einfriedung steht eine Reihe von Maniapen, und einer unserer Gesellschaft, der viel zum Zeichnen hierherging, hatte wiederholt eine Schar kranker Kinder dort hinpilgern sehen, denn der Ort war in Wahrheit das Hospital von Apemama. Der Arzt und ich betraten allein die heilige Stätte; die Kästen und Matten wurden von dem Tisch genommen, und ich wurde an ihrer Statt, wieder mit dem Gesichte nach Osten, auf den Stein gehoben. Eine Weile blieb der Zauberer hinter meinem Rücken unsichtbar, mit einem Palmzweig allerlei Kreise in der Luft beschreibend. Dann schlug er mich leicht auf den Rand meines Strohhutes, und dieser Schlag wurde von Zeit zu Zeit wiederholt, nur daß der Zweig manchmal statt des Hutes meinen Arm und meine Schulter streifte. Ich habe wohl ein dutzendmal erlebt, daß Leute mich zu hypnotisieren versuchten, ohne das geringste Resultat. Aber schon bei dem ersten Schlage – auf keinen wichtigeren Punkt als den Rand meines Strohhutes und von nichts Bedeutsameren als einem Palmzweig in der Hand eines Mannes, den ich nie zuvor gesehen hatte, – überfiel mich der Schlaf wie mit Waffengewalt. Meine Sehnen erschlafften,meine Augen schlossen sich, mein Hirn schwamm vor Schläfrigkeit. Ich wehrte mich zuerst instinktiv, dann in einer Art aufgeregter Verzweiflung, die zum Schluß auch siegte, wenn man in der Tat das einen Sieg nennen kann, was mir gerade noch ermöglichte, auf die Füße zu stolpern, in einem somnambulischen Zustand nach Hause zu wanken und mich auf mein Bett zu werfen, wo ich in eine traumlose Betäubung versank. Als ich erwachte, war die Erkältung vorbei, und damit lasse ich die Angelegenheit auf sich beruhen, da ich sie nicht verstehe.
    Inzwischen hatte sich mein Appetit auf Kuriositäten (der für gewöhnlich nicht sonderlich stark war) durch die heiligen Kästen seltsam verschärft. Die Kästen, von vier Füßen getragen, waren aus Pandanusholz, von länglicher Form und die
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